Kultur trifft Bergpanorama
Der Semmering ist historischer Landstrich, Kultur-Hotspot und der Inbegriff von Sommerfrische. Wir verraten die Must-Sees der Region.
Einst verkehrte hier die Hautevolee des Fin de Siècle: Musil, Schnitzler, Nestroy, Klimt – und die Kaiserfamilie sowieso. Sie alle zog es in die Wiener Alpen und ganz besonders auf den Semmering und die Rax, dem Sehnsuchtsort der Wiener Moderne. Das mag an der Nähe zur Hauptstadt liegen, aber vor allem liegt es daran, dass es hier einfach sehr schön ist. Imposante Bergkulissen mit weiten Ausblicken und schroffen Gipfeln tun sich schon einmal kühn und erhaben vor einem auf, nur um an einer anderen Ecke mit der Landschaft zu verschmelzen. Die bewegte Geschichte der Region rund um den Semmering, sie prägt die Region bis in die Gegenwart und doch ist die Zeit hier alles andere als stehengeblieben. Wir verraten an welchen Orten sich der Glanz längst vergangener Tage noch bewahrt hat, wo man Weltkunst im Garten betrachten kann und was die Berge mit Inspiration zu tun haben.
Einst galt sie als eine der spektakulärsten Reisestrecken der Welt: die Semmeringbahn.
Entworfen vom bereits mit 17 Jahren zum Doktor der Mathematik promovierten Carl Ritter von Ghega, wurde sie von der geschäftstüchtigen Südbahngesellschaft errichtet. Es gab Tage, da chauffierte sie Tausende Menschen, allen voran die feine Gesellschaft der Donaumetropole, in die Wiener Alpen, dem Ort, wo Künstler:innen und Kaiser ihre Sommerfrische verbrachten. Dabei galt es im 19. Jahrhundert noch als unmöglich, den Semmering mit einem Zug zu überqueren: Zu tief, zu bergig, zu gefährlich schien die Gegend den Menschen. Heute, mehr als 150 Jahre später, ist es schwer vorstellbar, welche technischen Spitzfindigkeiten für den Bau von Nöten waren: Die Bahnstrecke von Gloggnitz nach Mürzzuschlag führt über 100 Brücken, 16 Viadukte und durch 15 Tunnels und die Semmeringbahn war somit die erste Gebirgsbahn der Welt.
Alto Amore – eine Führung im Südbahnhotel
Es ist nun kein Geheimnis, dass im Südbahnhotel am Semmering früher durchaus schillernde Persönlichkeiten anzutreffen waren. Einst war es der Inbegriff von Sommerfrische, hier stieg die Aristokratie ab, die Philosophen und Künstler des Fin de Siècle. Was hingegen weniger bekannt ist: Dass man nicht nur Erholung und Inspiration suchte, sondern auch neue, oftmals schicksalhafte Bekanntschaften gemacht wurden. Bei sorgfältig kuratierten Rundgängen und Themenführungen durch das Südbahnhotel erfahren Sie, welche Allianzen geschlossen wurden, welche Skandale und Zerwürfnisse passierten, wer Liebschaften einging und welche davon länger hielten.
Auf die Plätze, fertig, Loos! – Im Looshaus am Kreuzberg schlafen.
Adolf Loos, ein Wegbereiter der Moderne, war nicht nur Architekt, sondern auch leidenschaftlicher Bergsteiger. Insofern reiste er gleich aus zweierlei Gründen regelmäßig in die Wiener Alpen: der Berge und der Kunstszene wegen. Loos hatte hier auch etliche Häuser entworfen. Das bedeutendste davon: das Looshaus am Kreuzberg, ein ehemaliges Ferienhaus, das im Auftrag von Dr. Rudolf Khuner, einem prominenten Wiener Industriellen, errichtet wurde. Das mit dunklem Holz verkleidete Haus ist im für Loos typisch reduzierten Jugendstil errichtet, in der die Schmucklosigkeit der Fassade selbst zum Ornament wird. Das Beste daran: Hier kann man dem revolutionären Architekten so nahe kommen wie selten wo. Immerhin ist das noch original erhaltene Looshaus am Kreuzberg heute Hotel und beliebtes Restaurant.
Höhenrausch und Hüttenhüpfen – mit der Seilbahn auf die Rax
Von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, ist bekannt, dass er seine Gedanken in den Bergen fasste, und viele seiner Lieblingsorte waren in den Wiener Alpen. Nachdem eine seiner Patientinnen, Katharina, die Tochter des Pächters des Ottohauses war, ist es nachgewiesen, dass er in den Bergen bahnbrechende Gedanken hatte. Es geht freilich auch eine Nummer kleiner: Mit der Raxbahn, einer der ältesten Seilbahnen Österreichs, überwindet man 1.000 Höhenmeter bis zum Plateau der Rax. In nur acht Minuten findet man sich zwischen Gipfeln, Latschenfeldern, Wiesen und schroffen Felsen wieder. Eine Naturkulisse, die den Geist befreit und zum Nachdenken anregt. Wegen der großen Hüttendichte ist das Hüttenhüpfen, bei dem man von einer Berghütte zur nächsten wandert, besonders beliebt.
Freie Kunst – die Ausstellung am Gut Gasteil in Prigglitz
Man würde es bei einem Spaziergang durch die kleine Gemeinde Prigglitz, wohl nicht sofort vermuten, aber hier befindet sich ein wahrer Kunst-Hot-Spot. Und zwar nicht irgendeiner: Am historischen Anwesen des Gut Gasteil finden sich Werke weltbekannter Künstler:innen: Dazu zählen neben heimischen Größen wie Arnulf Rainer, Herrmann Nitsch oder Erwin Wurm auch internationale Stars wie der Konzeptkünstler Lawrence Weiner. Ausgestellt sind die Werke nicht bloß in den Räumlichkeiten der Galerie, sondern vor allem auch unter freiem Himmel. Inmitten von weiten, sattgrünen Wiesen können Besucher:innen Skulpturen und Kunstinstallationen auf einem Weg erwandern.
Sommerfrische reloaded – Baden im Alpenstrandbad Edlach
Es zählt wahrscheinlich zu den außergewöhnlichsten Freibädern in der Gegend: das Alpenstrandbad Edlach. Vor der Bergkulisse der Rax-Schneeberg-Gruppe, eingebettet zwischen Wiesen und Wäldern, liegt das im Jugendstil errichtete Badehaus am Ufer des Prein-Bachs. Von Juni bis Mitte September können sich die Besucher:innen im weitläufigen Becken des Strandbads Edlach mit Blick auf die Rax abkühlen. Und weil Schwimmen ziemlich hungrig machen kann, findet man gleich nebenan das KORNRIED, das neben Freibad-Klassikern wie Eis und Kaffee auch Gerichte der Haute Cuisine führt.
Ein unbezahlbares Panorama – Wandern mit Ausblick am Semmering
Gut möglich, dass der 20-Schilling-Blick das berühmteste Panorama Österreichs ist. Immerhin war die Aussicht auf das fast 200 Meter lange Viadukt „Kalte Rinne“ auf der Rückseite des 20-Schilling-Scheines abgebildet. Weniger bekannt, aber mindestens genauso sehenswert ist das Panorama von der in unmittelbarer Nähe gelegenen Doppelreiter Aussichtswarte auf 919 Höhenmeter am Gipfel des Wolfsbergs. Beide Aussichtspunkte liegen an der Semmering-Zauberblick-Runde, einer rund acht Kilometer langen Wanderroute, die über den Semmeringpass führt. Am Rückweg kommt man außerdem bei den nicht minder sehenswerten historischen Villen am Semmering und beim Südbahnhotel vorbei.