Wein(viertel) unplugged

Merkliste aufrufen merken

Auf den Geschmack neuer, alter Weine (ge)kommen.

Wer an das Weinviertel denkt, denkt vermutlich zuerst an Grünen Veltliner. Doch neuerdings wird es bunt im Weinglas: leuchtendes Hellrot, trübes Zitronengelb und dezentes Orange gesellen sich dazu. Wir haben uns auf die Spuren neuer Weine gemacht – die oft auch eine Rückbesinnung auf alte Methoden und Rebsorten sind. Federführend ist eine junge Generation von Winzer:innen, die in ihrer Lehrzeit die (Wein-)Welt bereist hat und die auch nach ihrer Rückkehr ins heimatliche Weinviertel experimentierfreudig und weltoffen geblieben ist. Die Winzer:innen verzichten dabei oft freiwillig auf Technik und andere Hilfsmittel, revitalisieren alte, beinahe vergessene Rebsorten, vinifizieren Weine, die nicht in das Mainstream-Weinschema rot, weiß und rosé passen. Und in ihren Weingärten tummeln sich wieder wie früher Schafe zwischen den Rebzeilen. Wir haben einige junge Winzer:innen getroffen und sind mit ihnen den neuen, alten Weinen auf den Grund gegangen. 

Pet Nat – hipper Schaumwein, uralte Herstellungsmethode

Als Mathias, Viktoria und Leonhard nach und nach das Weingut Schödl ihrer Eltern übernehmen, beginnen sie mit den ersten Naturweinen. Und experimentieren bald auch mit dem trendigen Schaumwein Pet Nat, auf dessen Geschmack sie bei Praktika von New York über Südafrika bis Neuseeland gekommen waren. Mittlerweile nimmt der Pétillant Naturel (Französisch für „natürlich perlend“) bereits zehn Prozent im Sortiment ein, Tendenz steigend. „Pet Nat ist gut trinkbar, hat wenig Alkohol – ein super Aperitif“, sagt Mathias. Seine Ursprünge hat er im Frankreich des 17. Jahrhunderts, als man auf schaukelnden Schiffen von Frankreich nach England zufällig die Champagner-Methode entdeckte. „Der erste Champagner war ein Pet Nat“, erzählt Mathias. Die feine Perlage, also die Kohlensäure, entsteht noch heute rein durch Flaschengärung ohne Zusatz von Zucker. „Das Weinviertler Klima ist für Pet Nat ideal, weil unsere autochthonen Rebsorten eine hohe Säure haben. Das ist für den Geschmack wichtig“, sagt Mathias. Der Pet Nat aus Grünem Veltliner, Weißburgunder, Rotem und Weißem Riesling schmeckt nach frischen Trauben und hat eine schöne Mineralität. Und ist ein Naturwein par excellence: Denn das Milieu bei der Herstellung erlaubt den völligen Verzicht auf jegliche Zusatzstoffe.

Sehenswertes rund um das Weingut – rund um Loidesthal

Blauer Portugieser – alte Rebsorte trifft Geschmackstrend

Weine wie früher macht auch Winzerin Anna Schöfmann aus Haugsdorf bei Retz. Als der Großvater ihr und ihrem Bruder Laurenz den alten Weinkeller in der Haugsdorfer Kellertrift samt einiger Rebzeilen schenkt, gründen sie neben dem bestehenden familiären Weingut Anton Schöfmann ihr eigenes Weingut "Schöfmann & Schöfmann"Wir machen unsere Weine wieder wie früher, von der Traube bis zur Abfüllung komplett in der Kellergasse“, erzählt Anna. „Wir verzichten dabei ganz auf technische Hilfsmittel. Das ist herausfordernd, aber auch spannend.“ Auf den steinigen Böden der Böhmischen Masse rund um Retz entsteht ihr Grüner Veltliner, auf den sandigen Böden der Weingärten rund um Haugsdorf ihre Rotweincuvée Trift 34. Annas jüngstes Projekt ist die Wiederbelebung der autochthonen Rebsorte Blauer Portugieser, die 1955 zum Festessen bei der Staatsvertragsunterzeichnung gereicht wurde, dann aber beinahe völlig verschwand. „Der Blaue Portugieser ist eine Diva im Weingarten, aber eigentlich ist er eine super Rebsorte, die viele aktuelle Trends trifft“, sagt sie. „Er ist leicht und vollmundig, hat weniger Tannin und eine frische Säure – unkomplizierter Trinkgenuss.“

Naturweine – zurück zur Natur liegt im Trend

Weine jenseits von Mainstream und Uniformität produzieren auch die Geschwister Sophie und Rudi Fidesser, die das demeter-zertifizierte Weingut Rudolf Fidesser in Platt gemeinsam mit ihren Eltern Gerda und Norbert führen. Seit 2007 ist das Weingut bio-zertifiziert, seit 2014 wird nach Demeter-Richtlinien produziert: „Wenn du Bio-Winzer bist, orientierst du dich immer höher. Demeter war unserem Vater dann irgendwie sympathisch, weil es um den Ausgleich zwischen Mensch, Tier, Pflanze, Boden und Kosmos geht“, erzählt Rudi. Neben den klassischen Lagenweinen gönnen sich die Fidessers auch eine „ernsthafte Spielwiese“, ihre Naturwein-Linie „fidesser*orbis“.

„Die ist entstanden, weil wir Weine machen wollten, bei denen man möglichst alles weglässt und ganz auf Filtration verzichtet. Es geht um keinen bestimmten Rebsorten- oder Boden-Typ, sondern einfach darum, was uns jährlich Spaß macht“, sagt Sophie. Für diese Weine kommt die ganze Vielfalt aus den Weingärten der Fidessers zum Einsatz, wobei insbesondere die alten Rebsorten wichtig für den Geschmack sind, etwa der Blaue Portugieser. Die fidesser*orbis-Weine entstehen während der Lese, die sich – weil die Trauben alle von Hand gelesen werden – über mehre Wochen zieht. „Es passiert dann einfach, dass wir uns denken, das wäre jetzt leiwand“, sagt Rudi. „Die fidesser*orbis-Weine sollen Weine sein, die vielleicht nicht in die gängigen Muster rot, weiß und rosé und erwartbaren Geschmack passen – und die stattdessen selbst erzählen, wie sie schmecken.“ Das weckt bei manchen Weintrinker:innen durchaus Erinnerungen, sagt Sophie: „Es kommt gar nicht selten vor, dass uns gerade Ältere erzählen: „Das schmeckt ja wie früher!‘“

Sehenswertes rund um die Weingüter Fidesser und Schöfmann – rund um Retz

#momentmahl: Die rundum sehenswerte Weinviertel-Tour

Viele Wege führen zu den Protagonist:innen der weiten Land-Küche.
Lassen Sie sich von Ihrem Geschmack leiten und unseren Empfehlungen inspirieren.