Von Kellern und Tellern

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Im Kamptal steht ein Match immer auf dem Spielplan: Wein gegen Essen. Und ein Unentschieden wird plötzlich zum attraktivsten Ergebnis.

Die Range an Kamptaler Weinen verblüfft in Restaurants immer wieder: Mineralische Töne rocken ein Menü, appetitanregende Säure balgt spielerisch mit deftigen Gerichten, elegante Restsüße gibt Zweifelnden den Rest. Diese zwei Adressen sind die besten Schauplätze für ein fest-flüssiges Spektakel.

Esslokal – Roland Huber

Herrn Hubers Gespür für Aromen, könnte belesenen Geistern in Anlehnung an einen berühmten dänischen Roman einfallen. Oder auch, ein Filmklassiker lässt grüßen: Der mit den Aromen tanzt. Man ahnt es schon, Roland Huber ist ein Ausnahmetalent, was das Herausarbeiten und das Paaren von Geschmäckern betrifft. Wenn zu solchen Fähigkeiten noch jenes technische Können kommt, das ein junger Koch aus einem deutschen Drei-Sterne-Restaurant der alten Schule als Souvenir mitbringt, wirds wirklich aufregend. Nach der Arbeit unter klingenden Koch-Dachmarken wie Hanner oder Mörwald hat Roland Huber im Jahr 2020 in Hadersdorf am Kamp quasi bei sich selbst angeheuert und sein eigenes Lokal eröffnet. Von Beginn an hat es beste Bewertungen eingefahren. Das Esslokal mit seinem gelungenen Mix aus skandinavischen, japanischen und österreichisch-ländlichen Interiorelementen gehört zum Museumsensemble des Schweizer Künstlers Daniel Spoerri, der für seine „Fallenbilder“ bekannt ist – mit Kunstharz „eingefrorene“ Tischgelage in der Vertikalen.

Asien im Kamptal

Was Roland Huber in der Horizontalen auftischen lässt, führt vielleicht bei strengen Dogmatiker:innen des rein Regionalen zu gerümpften Nasen, bei allen anderen aber läuft im Geiste „Happy“ in Dauerschleife. Huber ist in seiner hochdekorierten Laufbahn einfach mit zu vielen guten Zutaten aus aller Welt in Berührung gekommen, als dass er sie aus Kilometergründen ausklammern würde. Auf Austern, die japanische Zitrusfrucht Yuzu oder die süditalienische Chiliwurst N’duja will er nicht verzichten, sie haben neben Produkten vom Kamptaler Fleischhauer oder Zwerghuhn aus Oberösterreich ihren Platz auf seiner Karte. Vor allem asiatische Aromen mit ihrer pointierten Schärfe, exotischen Säure oder appetitanregenden zarten Salzigkeit haben es diesem Koch angetan. Und Roland Huber ist ein denkbar begabter Diplomat und Dolmetscher: Zutaten aus der Ferne platziert er auf seinen Tellern nur allzu gerne neben solchen aus der unmittelbaren Umgebung. „Konnichiwa“, sagt da das Nori-Blatt zum Kerbel aus den nahen Auen, der unerschrocken mit „Servus, wie gehts?“ zurückgrüßt. Und sie verstehen einander, dafür sorgt Roland Huber, indem er Herrn Lauch dazwischensetzt, den beide kennen.

Von bis auf der Weinkarte

Ein solches kontinentübergreifendes Aufgebot an – im wahrsten Sinn des Wortes nicht immer naheliegenden – Geschmäckern fordert eine starke Weinauswahl, die mithalten kann. Das Unerwartete ist für Roland Huber und sein Team auch hier ein wichtiger Teil des Programms. Die Weinkarte des "Esslokal" fährt ein breites Programm von klassisch angelegten Paradeweinen der Region Kamptal, deren Zugpferd der Grüne Veltliner ist, bis hin zu mitunter schrägen Naturweinen. Diese sind nicht jedermanns Sache, ziehen Liebhaber des minimalen Eingriffs in Weingarten und Keller dafür umso mehr in ihren Bann. Der Schwerpunkt liegt auf den Anbaugebieten Kamptal, Wagram und Umgebung, was allein schon ein denkbar weitläufiges Geschmacksbild ermöglicht – man denke an die Üppigkeit, die so mancher Roter Veltliner vom Wagram mitbringt, gegenüber der straffen Kühle eines Schaumweins aus Langenlois... Aber auch internationale Weine haben im Esslokal ihren Auftritt. Wo, wenn nicht hier, beim Aromenvernetzer Roland Huber.

Weinbeisserei – Hermann und Matthias Hager

„Ah, die mit der Aussichtsterrasse! “, sagen die einen, wenn sie von der Weinbeisserei in Mollands hören. „Ah, die mit dem Vogel!“, tönt es von anderen, die schon tiefere Einblicke in das Schaffen des charakterstarken Brüderduos Matthias und Hermann Hager gewonnen haben. Und das mit dem Vogel ist, wohlgemerkt, denkbar positiv gemeint. Die Hagers wissen ihren Eigensinn nämlich in bester, weil für uns konsumierbarer Manier, umzuwandeln: Matthias macht demeter-zertifizierten blauen und braunen Wein (sic!), Hermann kocht. Und züchtet Turopolje-Schweine. Und pflanzt Gemüse. Und sammelt Weinraritäten, womit sich der Kreis schließt – obwohl, bei den Brüdern Hager schließt sich genau genommen nichts, alles bleibt offen, bereit für Neues.

Die Weite des Kamptals

2005 in Mollands hoch über dem Kamp eröffnet, machte das vom Wiener Architektenduo Albertoni gestaltete Haus bald von sich reden. Das alte familieneigene Presshaus am Ende der Kellergasse – Baujahr 1888, Steinmauern – wurde technisch aufwendig und dabei optisch zurückhaltend zum Entree des Ensembles umgebaut, über eine schmale Stiege geht es hinauf in den Gastraum. Und hier ergießt sich durch die Fensterfronten die Weite des Kamptals in den Raum. Von der großzügig dimensionierten, L-förmigen Terrasse mit ihren spektakulären Pergolaflügeln aus hat man im Blick, wo die Weine und die Zutaten für die Küche herkommen.

Blaue und Braune Weine

Die Weine von Matthias Hager, der das Gut mit seiner Frau Doris führt, basieren auf mehreren Böden: einerseits auf geologischem Untergrund wie Löss, Lehm und verschiedenen Urgesteinsarten, andererseits auf jenem Boden, den seine Familiengeschichte und das frühe Übernehmen von Verantwortung vorgegeben haben. Seit 2006 arbeitet er nach biodynamischen Richtlinien, seit 2008 ist er Mitglied im strengen Demeter-Bund.

Matthias Hager teilt seine Weine zwar auch nach Farben ein, aber anders als gewohnt: Statt von Rot, Weiß, Rosé oder Orange spricht er von der Blauen und der Braunen Linie – es geht ihm um die Ausprägung eines individuellen Charakters, nicht um vorgegebene Kategorien. Zur Blauen Linie – das Blau steht unter anderem für „kühle Erfrischung“ und „transparente Ruhe und Harmonie“ – gehören etwa der flaschenvergorene Zweigelt Blanc de Noir, der Grüne Veltliner Mollands und der Sauvignon Blanc. In der Braunen Linie finden sich Weine mit erdverbundener, warmer Anmutung wie der Grüne Veltliner Alte Reben, der Grüne Veltliner Urgestein Natural und der Zweigelt Reserve.

Beredte Gerichte aus selbstbewussten Zutaten

Dass Matthias Hagers Weine mit den Gerichten, die Bruder Hermann aus der Küche der Weinbeisserei schickt, per Du sind, verwundert nicht. Beredt sind sie alle, die Protagonisten aus dem Keller und die auf dem Teller, und dennoch immer unprätentiös. Da parliert der gereifte Grüne Veltliner auf das Vertrauteste mit den nahöstlichen Gewürzen im Ofengemüse aus dem eigenen Garten, während sich der hauseigene Schaumwein sprudelnd vor Lebensfreude mit der hausgemachten Tellersulz aus dem Fleisch der Hager’schen Schweine unterhält. Ab und zu kommt ein knapper Einwurf aus der Richtung des Waldviertler Linsensalats, der, an sich wortkarg, sonst lieber seine beglückend köstliche Marinade sprechen lässt. Und es kommt gar nicht so selten vor, dass sich plötzlich ein Glas auf Kroatisch oder Italienisch meldet – der Weinsammelleidenschaft von Hermann Hager sei Dank. Die Gäste dürfen zuhören, alles sickern lassen, darüber sinnieren – und manchmal sogar mitreden.

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