Über Trockenrasen und Totholz

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Orchideen, Smaragdeidechse, Trockenrasen & Co: Die Artenvielfalt in der Wachau ist bemerkenswert.

Einige Naturschutzgebiete und Naturdenkmäler entlang des Welterbesteigs wie das Höhereck, der Michaelerberg und die Steinige Ries entführen in eine lebendige Flora und Fauna. Naturschutzexperte Hannes Seehofer kennt sich dort aus wie kein anderer.

Trockenrasen, das hört sich etwas traurig an. Nach einer struppigen Wiese, auf der gar nichts mehr wächst. Unattraktiv für Flora und Fauna, könnte der Laie meinen. Aber wie so oft im Leben, ist es auch im Fall des Trockenrasens anders, als man denkt: „Ich beschreibe ihn immer als nährstoffarme trockene Magerwiese, die sich durch eine besondere Vegetation auszeichnet. Im Frühjahr blühen hier zum Beispiel Kuhschellen, Federgras – auch Steinfeder genannt – und seltene Orchideen“, sagt Hannes Seehofer, der seit zwanzig Jahren Naturschutzprojekte in der Wachau betreut. Vinophile assoziieren die Steinfeder mit dem gleichnamigen, aus der Region stammenden Wein, „die leichteste Qualitätsstufe im Weinbaugebiet Wachau, eine passende Bezeichnung für die Urgesteins-Weine“, wie Seehofer, der auch Winzer ist, bemerkt. Steinfedern sind aber auch diese romantisch im Wind wehenden, federleichten Gräser. Kuhschellen wiederum sind violettfarbene Blumen, deren Form an eine Kuhglocke erinnert.

Im Frühjahr und Frühsommer fluten sie und andere, farbintensive Blumen wie das gelbe Steinkraut, die blaue Traubenhyazinthe oder die rosafarbene Skabiose die Trockenwiesen der Wachau, die dann nur so vor Blütenpracht strotzen. In den zunehmenden Hitzeperioden und im Herbst sind die Trockenrasen, die man in Spitz, St. Michael, Dürnstein-Loiben, Rossatz und Krems findet, dann tatsächlich nur mehr gelbe Steppen.

Ja, die Wachau ist berühmt für ihre Artenvielfalt.

Das ist einerseits der Geologie und dem begünstigten Klima an der Donau zu verdanken, und andererseits der Landschaft an sich. „Wenn die Wachau flach wäre, gäbe es auch keinen Trockenrasen, da wäre alles Ackerfläche oder Weinbaugebiet“, so Seehofer. Die mosaikartige, kleinstrukturierte Landschaft, die nur mit viel anstrengender Handarbeit zu bewirtschaften ist, mache den Reiz und die Einzigartigkeit der Wachau aus. So etwas gibt es sonst nirgendwo.

Man glaubt es kaum, aber in der Wachau allein gibt es über 20 Orchideenarten. „Besonders attraktiv ist die Adriatische Riemenzunge, die von der Form her an eine längliche Kerze erinnert. Sie kann bis zu einem halben Meter hoch werden und hat lange Zungenblüten – daher der Name“, sagt Seehofer. Zu finden ist sie zum Beispiel am Höhereck, einem 10 Hektar großen Naturschutzgebiet östlich von Dürnstein, das aufgrund der seltenen Pflanzen- und Tierarten besonders geschützt werden muss – und daher nicht betreten werden darf.

Das Naturschutzgebiet Höhereck

Höhereck ist eines von Seehofers meist geliebten Naturschutzgebieten in der Wachau; es liegt direkt an der 12 km langen Etappe 1 des Welterbesteigs von Krems bis Dürnstein. Neben Steinfedern und Kuhschellen kreuchen und fleuchen dort jede Menge interessante Tiere durch das Gras. So auch die grüngemusterte Smaragdeidechse – ein kleiner Prachtkerl. „Bei schönem Wetter ist die Chance sehr groß, eine oder mehrere zu sehen“, so der studierte Biologe – der auch ein großes Herz für Vögel hat, eine ornithologische Neigung sozusagen, die er und andere Birdwatcher hier im „Vogelschutzgebiet Wachau – Jauerling“ ausleben können.

Am Höhereck findet sich auch eine Vielzahl an gefiederten Arten wie Heidelerchen, Bienenfresser, Zippammer, Zaunammer, diverse Spechtarten oder auch den „besonders attraktiven, orange gefärbten Wiedehopf mit der prächtigen Federhaube“, schwärmt Seehofer. Die Winzer:innen bemühen sich um diesen nützlichen Insektenfresser, sie haben für ihn sogar Nistkästen in den Weingärten aufgehängt. Insekten gibt es am Höhereck natürlich ebenso, fast 100 Tagfalterarten kommen dort vor, als Highlight nennt Seehofer den Osterluzeifalter, einen vom Aussterben bedrohten, farbenfrohen Schmetterling, der nach seiner einzigen Futterpflanze, der Osterluzei, benannt ist. Ein kleiner Gourmet.

Und dann gibt es da im Sommer auch noch die Schafe.

„Ab Juli bis September haben wir über 100 Schafe zur Pflege, die auf den Trockenrasen weiden“, sagt Seehofer. Die Schafe fressen die Gräser ab, die dann nicht mehr abgemäht werden müssen. „Wenn man da nichts machen würde, würde der Trockenrasen verbuschen.“ Die Pflege der offenen Flächen ist sehr aufwendig, auch, weil sie schwer erreichbar sind, meistens nur zu Fuß. Man muss schon gerne draußen sein für diesen Job.

Ein anderes, schönes Naturdenkmal ist der Michaelerberg.

Das Naturdenkmal Michaelerberg liegt an der 10 km langen Etappe 3 des Welterbesteigs von Weißenkirchen nach Spitz. Da kommt man an einem wunderschön gelegenen Trockenrasen vorbei, dem Pfennigfleck, „er ist von naturnahem Mischwald umgeben und ebenso ein traumhafter Aussichtspunkt, von dem aus man auf Spitz schauen kann.“ Seehofer weist hier besonders darauf hin, dass aufgrund des angrenzenden Waldes ein striktes Verbot für Lagerfeuer herrscht. „Wir haben in der Wachau sehr wenig Niederschlag und sehr trockene Phasen. Hier Feuer anzuzünden ist wirklich gefährlich.“ Zur Rücksichtnahme auf die Vegetation und Tierwelt sei außerdem die richtige Müllentsorgung wichtig.

Am Michaelerberg flattern ebenso unterschiedlichste Schmetterlinge herum, aber auch Wildbienen summen hier energisch durch den oft so blauen Himmel. Gottesanbeterinnen mit den dreieckigen, sehr beweglichen Köpfen – fast schon alienartig – bekommt man hier außerdem oft zu Gesicht. Und wenn man Glück hat, kann man vielleicht die seltene Sägeschrecke beobachten, die regungslos auf Beute lauert – dass sie etwas Besonderes ist, dürfte der mausgroßen Heuschrecke, die sich ohne schlechtes Gewissen von kleineren Exemplaren ihrer Gattung ernährt, bewusst sein.

Totholzbewohner im Naturschutzgebiet Steinige Ries

Ein weiterer Tipp von Seehofer ist die Steinige Ries, ein Naturschutzgebiet der Gemeinde Rossatz, gelegen auf Etappe 11 des Welterbesteigs von Hofarnsdorf nach Rossatz am südlichen Donauufer. „Die Steinige Ries zeichnet sich durch zerklüftete, wirklich bizarre Felsen und einen imposanten, unberührten Eichen- und Hainbuchenwald aus, das ist schon sehr speziell.“ Auch hier haben die Smaragdeidechse und die bis zu zwei Meter lange Äskulapnatter ihren Lebensraum. Seltene Käferarten wie den Großen Eichenbock oder den Prachtkäfer findet man hier ebenso. „Solche Käfer brauchen Altbestände, sie sind Totholz-Bewohner. Darum ist der Totholzanteil im Wald für diese Käferarten sehr wichtig“, sagt Seehofer abschließend. Totholz, auch das hört sich etwas traurig an. Aber auch hier trügt der Schein: im Inneren, das pulsierende Leben.