Rund um Wienerbruck

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Wo nicht nur Obst und Kräuter in hohen Lagen gedeihen, sondern auch alte Rinderrassen seit jeher zuhause sind.

Unser Tag am Ötscher beginnt bei Tagesanbruch. Über eine schmale Forststraße, gesäumt von dichten Fichten- und Lärchenwäldern geht es hinauf auf eine abgeschiedene Alm. Die nächtlichen Regenfälle haben die Wiesen und Weiden in ein saftiges Grün getaucht und die Luft mit Frische erfüllt. Hier oben grasen die Murbodner Rinder von Biobauer Gerald Schenner. Von Mai bis September genießen sie den Almsommer und fressen, was der Almboden hergibt: frisches Gras und saftige Wildkräuter. Gut so, denn: „Das gute Futter ist ein Grund, warum das Fleisch unserer Murbodner so gut schmeckt“, erklärt Gerald.

Bioprodukte aus dem Ötscherland

2019 lancierte Gerald zusammen mit seiner Frau Marion und der befreundeten Familie Pfeffer die Marke „BIOProdukte aus dem Ötscherland“, um ihre nachhaltig produzierten Lebensmittel zu vermarkten: Alle Produkte werden ausschließlich biologisch auf ihren beiden Höfen am Fuße des Ötschers hergestellt. Ihr Augenmerk liegt auf der Mutterkuhhaltung und dem Erhalt alter Nutztierrassen. Gerald selbst hält neben den Murbodner Rindern auch Kärtner Brillenschafe, Jura-Schafe und Duroc-Schweine.

Die Alm, auf der Geralds Rinder weiden, ist ebenso traditionsreich wie die Rinderrasse, die auf ihr weidet. Schon seit über hundert Jahren wird die kleine Hochebene nahe des Ötschers als Weide genutzt. Geralds Vater ist seit Jahrzehnten der Halter, kümmert sich also um die Pflege der Weide und die Beaufsichtigung der Tiere. Geschlachtet werden Geralds Murbodner im Alter zwischen 20 und 24 Monaten. Um Stress für die Tiere zu minimieren, erfolgt die Schlachtung direkt vor Ort – ein weiterer Faktor, der die gute Fleischqualität sicherstellt. Und die ist wirklich besonders: Es hat eine schöne Marmorierung, eine feine, zarte Struktur, eine feste, trotzdem saftige Konsistenz. Zusammen mit seiner Frau Marion verkauft Gerald ab Hof nicht nur Fleisch-Mischpakete, sondern auch eine reiche Auswahl an Wurstspezialitäten wie Käsekrainer und Bratwürste, aber auch Grammelschmalz, Verhackertes und Gerichte im Glas. Am Annaberg hält Gerald neben Jura-Schafen auch Kärntner Brillenschafe, ebenfalls eine der gefährdeten Nutztierrassen in Österreich, ähnlich abgehärtet, robust und an das oft raue Klima der Alpen angepasst wie die Murbodner Rinder. Wie auch das Fleisch der Murbodner Rinder ist das Fleisch der Kärntner Brillenschafe feinfasrig. Es schmeckt würzig und wildbretähnlich. Gerald schlachtet die Schafe im Alter von 6 Monaten, vermarktet das Frischfleisch wie das Rindfleisch ab Hof. Als besondere Delikatesse sind Geralds Lammkäsekrainer bekannt. Für unser Abendesssen am Ötscher:Grill beim Naturparkzentrum Ötscher-Basis wählen wir heute ein Stück Murbodner Rindfleisch aus Geralds und Marions vielfältigem Angebot.

Alpine Kräuteraromen am Höchbauernhof

Nur eine kurze Fahrt entfernt finden wir den Höchbauernhof von Martha und Christian Weber. Schon der Name verrät, dass der Bauernhof der höchstgelegene Bauernhof am Joachimsberg ist. Neben Urlaub am Bauernhof kultiviert Martha, die „Kräuterbäuerin“, hier einen reichhaltigen Kräutergarten und sammelt zusätzlich Wildkräuter in der Region um den Ötscher. „Auf 900 Metern Höhe entfalten Kräuter ein besonders intensives Aroma“, sagt Martha. Sie trocknet die von Hand geernteten Kräuter schonend und verarbeitet sie zu Kräutersalzen, Teemischungen und Kräuterölen. Ihre Produkte verkauft sie ab Hof und im Naturparkzentrum Ötscher-Basis. In Martas Kräutergarten ernten wir ein paar Kräuter – auch die werden wir später zum Grillen am Ötscher:Grill brauchen.

Die Renaissance des Hochlagen-Getreideanbaus am Biohof Kobichl

Am Fuße des Joachimsberg, eingebettet in den Naturpark Ötscher-Tormäuer, entdecken wir den Biohof Kobichl. Nach einer 70-jährigen Pause im Getreideanbau, der einst selbstverständlicher Teil der Kulturlandschaft zwischen Annaberg und Ötscher war, belebt Biolandwirt Georg Wutzl das landwirtschaftliche Erbe heute wieder. Seine erste Ernte? Weizen, angebaut auf einer Seehöhe von 850 Metern. „Ich war echt begeistert von der Qualität der ersten Ernte. Man kann mit dem Mehl sogar Brioche backen“, erzählt er uns. Aber beim Weizen alleine soll es nicht bleiben.

Auf Georgs Feldern gedeihen bereits Experimente mit Gerste, Nackthafer und Rollgerste. Alles soll, wie auch der Weizen, auf der hofeigenen Getreidemühle für die Kund:innen stets frisch vermahlen werden. Und auch bei der Verpackung seiner Mehle setzt Georg auf Tradition: Mit einer eigenes erworbenen Sacknähmaschine vernäht er die Mehlsäcke ganz wie in alten Zeiten. Neben dem neuen Standbein des Getreideanbaus spielt die Zucht von Pinzgauer Rindern eine wesentliche Rolle auf dem Biohof Kobichl, der seit Jahrzehnten ein beliebter „Urlaub-am-Bauernhof“-Betrieb ist. „Ich find’s wichtig, dass unser Bio-Hof mehrere Standbeine hat“, sagt er. Seit der Hofübernahme 2017 hält Georg die einstige Zweinutzungsrasse (Milch und Fleisch) und züchtet sie sogar selbst nach. Während seine Tiere Frühjahr und Herbst auf den Weiden rund um den Hof verbringen, sind sie den gesamten Sommer über auf der Alm. Jährlich schlachtet Georg 10 seiner Pinzgauer Rinder ohne Transportstress im hofeigenen Schlachtraum und verkauft das Fleisch direkt ab Hof, auch das ist Teil seiner Philosophie: „Mir ist es wichtig zu wissen, wer meine Produkte kauft und isst. Wenn mir die Kund:innen erzählen, dass es ihnen schmeckt, dann freut mich das sehr“, sagt er. Und auch bei den Rindern geht es ihm um eine ganzheitliche Verwertung; selbst die Häute der Rinder lässt er fachmännisch gerben. Georgs Produkte kann man im Hofladen am Biohof Kobichl kaufen oder auch im Naturparkzentrum Ötscher-Basis.

Eine kurze Fahrt durch das Hügelland zwischen Ötscher und Annaberg führt uns nach Wienerbruck. Nach einem kurzen Stopp im charmanten Kaffeehaus Wienerbrückl von Familie Michl – die hausgemachten Mehlspeisen zum Kaffee sind ein Muss – setzen wir unsere Reise zur Ötscher-Basis fort. Dieses 2015 errichtete Naturparkzentrum am Wienerbrucker Stausee ist nicht nur der ideale Startpunkt für Wanderungen im Naturpark Ötscher-Tormäuer, sondern liefert auch kulinarisch interessanten Gesprächsstoff.

Alte Obstsorten aus hohen Lagen 

Unmittelbar hinter dem Naturparkzentrum zeigt uns Florian Schublach, Geschäftsführer des Naturparks Ötscher-Tormäuer, den 2020 neu angelegten Hochlagenobstgarten. Dieser Obstgarten ist mehr als nur eine Sammlung von Obstbäumen; er dient als Forschungslabor zur Erhaltung und Erforschung alpiner Obstsorten. Trotz der anscheinend unvorteilhaften Höhenlage und des rauen Klimas hat der Obstbau auch in den alpinen Regionen des Mostviertels eine reiche Tradition. „Historische Aufzeichnungen und Zeichnungen belegen, dass bereits die ersten Siedler:innen Obstbäume in diese Gegend brachten“, erzählt Florian. Über Jahrhunderte hinweg haben die Menschen hier Sorten gezüchtet und klimatisch angepasst – vor allem, um sich selbst mit Obst zu versorgen. Viele dieser inzwischen rar gewordenen alten Sorten gedeihen heute noch in den Streuobstgärten der Region oder rund um verlassene Höfe. Dieses kulturell-kulinarische und botanische Erbe zu bewahren, sieht das Team rund um Florian Schublach als einen integralen Bestandteil seiner Mission: „Die biodiverse Kulturlandschaft zu erhalten, ist eine der Kernaufgaben eines Naturparks“, sagt Florian. 

In Kooperation mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) wurde sogar ein eigenständiges Forschungsprojekt zum Thema „Hochlagenobst“ ins Leben gerufen. Ab einer Höhe von 600 Metern bezeichnet man die hier wachsenden Früchte als Hochlagenobst. Gemeinsam mit lokalen Obstbaumbesitzer:innen werden Sorten identifiziert und sogenannte "Reiser" gewonnen. Einer dieser Ableger wird den Besitzer:innen zurückgegeben, während ein weiterer im speziell angelegten „Reisergarten“ des Naturparkzentrums angepflanzt wird. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Andreas Spornberger hat das BOKU-Forschungsteam dabei sogar eine hyperregionale Sorte entdeckt: den „Annaberger Maschanzker“, vertreten durch einen Baum, der auf ein Alter von 150 Jahren geschätzt wird.

Mostviertler BBQ am Ötscher:Grill

Unser Abendessen genießen wir an diesem lauen Sommerabend auf ganz besondere Weise: am Ötscher:Grill direkt vor dem Naturparkzentrum mit Blick auf den Wienerbrucker Stausee. Der hochragende Eisengrill, der inspiriert ist von den Schloten der nahen Eisenstraße, ist das Werk des renommierten Ybbsitzer Künstlers Joe Wahler und des Vorarlberger Industrie-Designers Robert Rüf. Entworfen für die Landesausstellung 2015, steht der Grill nicht nur als Sinnbild Mostviertler Handwerkskunst, sondern auch als herzliche Einladung an alle Besucher:innen des Naturparks Ötscher-Tormäuer, die atemberaubende Natur des Ötscher-Gebiets in geselliger Runde bei einer Grillerei unter freiem Himmel zu genießen. Insgesamt stehen den Gästen an der Ötscher-Basis gleich drei solcher Ötscher:Grills zum Selbergrillen zur Verfügung.

Und was könnte köstlicher sein als die regionalen Produkte, über die wir auf unserer Tour schon so viel erfahren haben? Wir legen unser Murbodner Rindfleisch von Gerald Schenner, das wir mit den duftenden Kräutern von Martha Höchbauer verfeinert haben, sowie eine frische Forelle vom Thorhof auf den Grill. Unsere Holzkohle? Die stammt natürlich auch aus der Region, genauer gesagt von einer der letzten traditionellen Köhlereien im Mostviertel – der Wald Köhlerei Hochecker.

Ein praktischer Tipp: Wer keine Zeit hat, die Grillzutaten direkt von den Bauernhöfen rund um den Ötscher zu besorgen, findet in der Ötscher-Basis eine feine Auswahl an regionalen Produkten. Fleisch gibt es etwa von Gerald Schenners bio-zertifiziertem Scheinhof oder von Georg Wutzls Biohof Kobichl. Das Bier wie das Bio Erzbräu stammt aus Bruckners Bierwelt in Gaming. Nicht verpassen darf man die frisch gebackenen Bauernkrapfen von Martha Höchbauer. Wer lieber andere den Kochlöffel schwingen lässt, nimmt am besten auf der Seeterrasse der Ötscher-Basis Platz und lässt sich mit frisch gekochten, regionalen Köstlichkeiten verwöhnen. Übrigens: Mit seinem Netzwerk an regionalen Lebensmittelhandwerker:innen veranstaltet das Naturparkzentrum auch viermal im Jahr einen Bauernmarkt.

Für Angelbegeisterte, die die nötige Erfahrung mitbringen, bietet der nahegelegene Erlaufsee die Möglichkeit, eine Tagesangelkarte zu erwerben. Dank der hervorragenden Wasserqualität ist auch der Fischbestand beachtlich: Von Bach- und Regenbogenforellen bis hin zu Seeforellen, Hechten, Schleien, Zandern und sogar Reinanken – die Auswahl für Angler:innen ist vielfältig und reichhaltig.

#momentmahl: Die rundum sehenswerte Mostviertel-Tour

Viele Wege führen zu den Protagonist:innen der weiten Land-Küche.
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