Abstecher von Ost nach West

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Wo abseits viel begangener Wege kulinarische Potenziale Früchte tragen und die Leidenschaft für altes Handwerk noch brennt.

Am östlichen Rand des Mostviertels, an der Grenze zum Wienerwald, bewahren Johann und Theresia Hochecker in ihrer Waldköhlerei das beinahe vergessene Handwerk der traditionellen Holzkohleherstellung. Seit 1994 führen die beiden die Köhlerei weiter, die einst von Johanns Vater übernommen wurde, und geben das Wissen um das alte Handwerk auch an die nächste Generation weiter.

Die Herstellung, die sich über mehrere Wochen erstreckt, beginnt mit dem sorgfältigen Aufschichten des Rundmailers mit neun Metern Durchmesser und gut vier Metern Höhe auf einem feinem Bretterrost, was alleine rund eine Woche in Anspruch nimmt. Die Auswahl des Holzes ist entscheidend für die Qualität der Holzkohle: „Ich möchte kein anderes Holz verwenden als unser eigenes“, sagt Johann. Darauf folgt eine Schicht aus Reisig und schließlich Lösch. Die Holzkohle entsteht in einem Prozess der „trockenen Destillation“: Unter Luftausschluss schwelt das Holz über mehrere Wochen hinweg, bis reine Holzkohle entsteht. Der während des Prozesses aufsteigende Rauch ist ein Indikator dafür, dass die Technik stimmt: „Weißer Rauch erzeugt Kohle. Würde blauer Rauch aufsteigen, würde das Holz verbrennen, was wir vermeiden möchten“, erklärt Theresia. Ist der Mailer nach rund vier Wochen verkohlt und abgekühlt, müssen die Kohlesorten voneinander getrennt werden. Durch die unterschiedlichen Hölzer am Mailer enthält er eine Mischung verschiedener Kohlesorten, die Theresia händisch auseinandersortiert. Für das Grillen von Hühnerfleisch empfiehlt sie Holzkohle aus Weichholz wie Fichte, während für Rindfleisch Holzkohle aus Harthölzern besser geeignet ist.

Einst war die Köhlerei ein bäuerliches Nebengewerbe, so auch bei Familie Hochecker, die auch Milchkühe auf ihrem Hof halten und auch einen gut sortierten Hofladen betreibt. Die UNESCO hat das Handwerk der Köhlerei im Jahr 2011 sogar in das Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die Holzkohle der Familie Hochecker findet nicht nur unter Grillenthusiast:innen großen Anklang, sondern auch in der gehobenen Gastronomie. Renommierte Restaurants wie der Taubenkobel und das Restaurant Mraz und Sohn schwören auf die Qualität der Holzkohle aus dem Mostviertel.

Im Jahr 2013 erweiterten die Hocheckers ihr Angebot durch die Eröffnung des Köhlerhauses. Dort bieten sie Filmvorführungen und Führungen durch die Köhlerei von ein bis anderthalb Stunden an, die Einblicke in das traditionelle Handwerk ermöglichen. Zusammen mit ihrem Nachbarn, dem Bio-Bauern Karl Vonwald, der auf die Herstellung von Elsbeer-Produkten spezialisiert ist, organisieren Johann und Theresia zudem Verkostungen im Köhlerhaus.

Fisch & Jagd im oberen Traisental: Thorhof

Im oberen Traisental nahe St. Aegyd liegt der Thorhof von Marlene und Christian Kirchmayer. Seit 2019 verfolgen die beiden hier ihre Vision von nachhaltiger Fischzucht und traditioneller Jagd. Was mit vielen Kurzurlauben in der Region begann, führt schließlich dazu, einen alten Hof samt Jagd in St. Aegyd zu übernehmen. „Ich wollte etwas mit der Natur, in der Natur machen — und Fische haben mich immer am meisten interessiert“, erzählt Christian.

Vom Ei bis zum fertigen Fisch übernehmen Christian und Marlene jeden Schritt in der Zucht selbst. Dieser aufwändige Prozess dauert für einen Fisch mindestens eineinhalb Jahre. In dieser Zeit wachsen ihre Seesaiblinge, Elsässer Saiblinge, Seeforellen, Bachforellen, Regenbogenforellen und Goldforellen in kristallklarem, eiskaltem Gebirgswasser heran. Das Wasser fließt aus einer Quelle der Traisen in St. Aegyd durch einen Bach zum Thorhof und schafft durch seine Trinkwasserqualität sowie konstante kühle Temperaturen optimale Bedingungen. Im Winter hat das Wasser eine Temperatur von sieben Grad, auch im Sommer steigt es nicht über zehn bis elf Grad. Das langsame Wachstum gewährleistet eine feine, zarte Struktur des Fischfleisches. Nach Durchfließen der Becken wird das Wasser gereinigt, treibt noch das hofeigene Kraftwerk für die Stromerzeugung an und fließt zurück in den Bach. Die Fische werden immer je nach Bedarf frisch geschlachtet. Um die Fleischqualität weiter zu steigern, kommen die Fische ein paar Tage vor der Schlachtung in Hälterbecken zum Ausnüchtern. Das sorgt für eine noch festere Fleischkonsistenz, weil der Fisch in dieser Zeit die eigenen Fettdepots aufbraucht. Die Fische werden als Frischfisch verkauft, aber auch das Räuchern ist ein wichtiger Bestandteil des Angebots. Mit zwei verschiedenen Temperaturen, 77 Grad für das warme Räuchern und 28 Grad für das Kalträuchern, verfeinern sie ihre Produkte.

Teil des Hofes ist auch eine Jagd auf 600 bis 900 Metern Seehöhe. Rund ums Jahr erlegen die beiden erfahrenen Jäger:innen etwa zehn Tiere wie Rehe, Hirsche und Gams. Die Tiere werden direkt am Hof zerlegt und als saisonale Spezialitäten den bestehenden Fisch-Kund:innen angeboten. Der Thorhof öffnet samstags von 9 bis 11 Uhr seine Türen für den Ab-Hof-Verkauf. Hier können die Besucher:innen die frischen Delikatessen erwerben oder vorbestellen. Das Angebot des Thorhofs endet jedoch nicht beim Verkauf – Christian und Marlene bieten interessierten Gästen auf Anfrage auch Führungen durch ihre Fischzucht an, bei denen sie Einblicke in ihre Arbeit und ihre Passion gewähren.

Frischer Wind für den Most: ein Besuch bei Bernadette und Peter Haselberger

In St. Valentin, am nordwestlichen Rand des Mostviertels, treffen wir Bernadette und Peter Haselberger. Es ist eine Gegend, in der Most lange keine große Wertschätzung erhielt. Jahrzehntelang machte jeder Bauer, jede Bäuerin ihren Most selbst am Hof. Verarbeitet wurde, was der Birnbaum hergab – und das war mitunter nicht immer die allerbeste Qualität, weshalb dem Birnenmost lange ein schlechter Ruf anhaftete. Doch die Zeiten haben sich geändert – und an vorderster Front stehen innovative Mostproduzent:innen wie Bernadette und Peter Haselberger. Ihre Mission ist es, zu demonstrieren, dass Most weit mehr als nur ein einfaches Heurigengetränk ist. Sie zeigen, dass er ein ebenso edler Begleiter für die gehobene Küche ist. Wir treffen sie im Schatten eines imposanten, 160 Jahre alten Pichlbirnbaum, der mit einer Einzelbaumabfüllung zu ihrem Botschafter für hochqualitativen Birnenmost geworden ist.

Als 1860 die Westbahn entstand, musste der ursprüngliche Hof der Familie weichen und wurde an seinen heutigen Standort verlegt. Gemäß der damaligen Tradition wurde ein Grüner Pichlbirnbaum als Erster gepflanzt. Dieser Baum trägt bis heute Früchte, die Haselberger Most in einer einzigartigen Einzelbaumabfüllung konservieren – ein einzelner Baum in Flaschen mit dem ersten Jahrgang aus 2020. „Wenn man unter einem solchen Baum steht, empfindet man Ehrfurcht“, sagt Bernadette. „Diese alten Bäume sind wahre Schätze.“ Schätze, die Bernadette und Peter möglichst unverfälscht in die Flasche zu füllen versuchen.

Peter, ausgebildeter Mostsommelier, ist fest entschlossen, das Ansehen des Mosts zu steigern. Qualität fängt für ihn bereits bei der Ernte an: Nur die Früchte, die der Baum von selbst fallen lässt, sind für Peter wirklich reif und bereit, verarbeitet zu werden. Das erfordert während der Erntezeit mitunter mehrere Erntedurchgänge pro Baum. Danach erfolgt eine sorgfältige Sortierung von Hand; nur einwandfreie Exemplare dürfen in die Mostpresse. Schließlich presst Peter die meisten Birnen reinsortig, um auch reinsortige Birnenmoste herzustellen. Neben der Grünen Pichlbirn produziert er auch sortenreine Moste aus Stieglbirn, Landlbirn, Dorschbirn und Speckbirn. Nach dem schonenden Pressverfahren lagert er den Most für ein ganzes Jahr auf der Feinhefe, was für Moste eine ungewöhnlich lange Zeit ist. Das Ergebnis sind komplexe, elegante Moste, die dem Wein seinen Platz als Speisenbegleiter zur Mostviertler Küche durchaus streitig machen können, wie wir bei Stefan Hueber und Silvia Aigner gelernt haben.

#momentmahl: Die rundum sehenswerte Mostviertel-Tour

Viele Wege führen zu den Protagonist:innen der weiten Land-Küche.
Lassen Sie sich von Ihrem Geschmack leiten und unseren Empfehlungen inspirieren.