Aufgedeckt: Der Mythos Winter!

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Wahr oder Falsch? 7 Winter-Legenden unter der Lupe.

Kann man im niederösterreichischen Winter in einem Kaltluftsee baden oder Eisblumen pflücken? Hat Dirndlschnaps & Co wirklich eine wärmende Wirkung und halten Winzer:innen tatsächlich Winterruhe? Wir gehen den gängigsten Mythen rund um die kalte Jahreszeit auf den Grund und zeigen, welche Legenden einen wahren Kern haben und welchen man getrost die „kalte“ Schulter zeigen kann. Hier kommt unser Faktencheck.

# MYTHOS 1: Winzer:innen haben den ganzen Winter über keine Arbeit! (stimmt nicht)

Wie wäre das Leben schön – ein Winter wie im Paradies. Nach der Lese schnell den Wein im Keller verarbeiten und Füße hoch bis zur Weinblüte im Frühjahr. Hie und da ein paar exzellente Glaserl Wein aus dem besten Fass des Kellers degustieren... Tja, leider weit gefehlt. Ganz im Gegenteil! Wenn im größten Qualitätsweinbaugebiet Österreichs die kalte Jahreszeit einkehrt, beginnen die Reben ihren Saft im Holz zu reduzieren und fallen wie Dornröschen in einen tiefen Schlaf: die Winterruhe beginnt. Doch bei genauerem Hinsehen ist so einiges los zwischen der Wachau im Westen und Carnuntum im Osten. Um den Jahreswechsel beginnen Winzer:innen und Weinbauer:innen die Rebstöcke von ihren „Altlasten“ des Vorjahres zu befreien. So werden in mühsamer Handarbeit bei Schnee und Kälte Stock für Stock und Trieb für Trieb bearbeitet und abgezwickt. Die „Augen“ (Knospen am Kopf des Rebstockes), die dem Rebstock durch übermäßigen Austrieb Energie rauben würden, werden ebenfalls entfernt. Beim sanften Rebschnitt wird besonders darauf geachtet, den Weinstock nicht zu sehr zu verletzen, um ihn stabiler zu machen, das Eindringen von Pilzen bestmöglich zu verhindern und den Saftfluss nicht zu unterbrechen. Diese kraftintensive und vorausschauende Arbeit ist eine der wichtigsten überhaupt im winterlichen Weingarten, um so schon vorab den Ertrag des Rebstockes zu regulieren und zu stärken. Im Herbst können dadurch erneut gesunde Trauben für hochqualitative Weine geerntet werden.

 

# MYTHOS 2: Eisblumen am Fenster sind die einzigen Blüher im Winter! (stimmt nicht)

Der Frost hat den Garten im Winter fest im Griff: Aus den Wiesen, Sträuchern und Büschen werden filigrane Eisskulpturen. Mit etwas Glück hüllt eine dicke Schicht Schnee alles in Weiß und scheint das Leben darunter erst freizugeben, wenn die Sonne im Frühjahr wieder stark genug wird. Doch oha, was blinzelt denn da unter der Schneedecke hervor? Kaum zu erkennen, eine Handvoll weißer kleiner Blütenköpfchen war mutig genug, sich den eisigen Temperaturen zum Trotz emporzurecken. Wie schön! Die ersten Schneeglöckchen sind da und auch wenn es erst Ende Jänner ist, diese Winterblüher gedeihen – neben Winterschneeball, Winterling und Zaubernuss – ausschließlich in der kältesten Zeit des Jahres. Dank einer Art „Frostschutzmittel“ in ihren Gefäßen sind sie resistent gegen Schnee und Eis. Dazu gesellt sich gern die wunderschöne Schneerose (auch Christrose genannt) mit ihren zart weiß-grünlichen oder weiß-rosa Blüten, die ebenfalls die Kälte liebt und sogar den ganzen Winter über auch an exponierten Stellen blühen kann. Die tapferen Blumen und Strauchblüten sind für viele Insekten nach der Winterruhe lebenswichtige Kraftgeber. Übrigens: Die Wildwuchsarten des Schneeglöckchens wie auch der Schneerose stehen unter Naturschutz und sollten daher beim Winterwandern nicht gepflückt werden.
 

# MYTHOS 3: Sobald es im Winter kalt genug wird, ist der Schnee nicht mehr weit! (stimmt teilweise)

„Es ist schon die ganze Zeit so kalt, wann kommt denn endlich der Schnee?“, hat sich sicher schon jede:r irgendwann einmal gefragt. Wie bei Regen auch, hängt dies von der Menge an kondensierter Luftfeuchtigkeit ab, die für die Wolkenbildung verantwortlich ist. Damit sich Eiskristalle bilden können, die zu Schnee werden, muss es in den Luftschichten unterhalb der Wolken natürlich Temperaturen um den Gefrierpunkt geben – andernfalls wandelt sich die Feuchtigkeit statt zu Eiskristallen zu Regen. Wenn also genügend Feuchtigkeit in der Luft auf kalte Temperaturen trifft, können sich Schneekristalle bilden, die sich während ihrem sanften Fall auf die Erde – übrigens 4 km/h schnell – ineinander haken und als Schneeflocken bei uns ankommen. Bleiben die Temperaturen längere Zeit im Minusbereich, verdampft weniger Wasser an der Erdoberfläche. Der Himmel ist dann zwar meist strahlend blau und klar, doch bei dieser klirrenden Kälte sind Wolken spärlich und es gibt daher leider kaum Aussicht auf ein baldiges Schneevergnügen.

 

# MYTHOS 4: Mit Schnee und Alkohol halten wir uns im Winter warm! (stimmt nicht)

Der braun-weiße Rettungshund mit dem Rumfass am Halsband ist Symbol für hochprozentige Alpinhilfe im Winter. Auch der Flachmann im Skianzug ist gefüllt mit Dirndlschnaps, Wachauer Marillenlikör oder Kriecherl Brand – aber warum? Weit verbreitet ist die Annahme, dass ein kräftiges Schluckerl Hochprozentiges oder Glühwein bei Kälte wärmt. Oje, leider weit gefehlt. Der Alkohol erweitert die Blutgefäße im Körper und so kühlt dieser sogar noch schneller aus. Zudem lässt sich im angetrunkenen Zustand die tatsächliche Außentemperatur schwerer wahrnehmen. Auch das Abreiben mit Schnee bei eiskalten Gliedmaßen wie Hände, Füße oder Ohren können wir auf keinen Fall empfehlen. Weit verbreitet ist die Annahme, dass der kalte Schnee durch Reibung die Durchblutung anregt und so zu Erwärmung führt. Leider nein und ganz im Gegenteil: Dadurch kann sogar noch mehr Schaden entstehen, da die gefrorenen Eiskristalle durch die Reibung das Gewebe verletzen können und zusätzliche Schmerzen auftreten. Von diesen wild romantischen „Survival“- Tipps für Aktivitäten im Winter ist also definitiv abzuraten. Besser: Im Zwiebellook anziehen, um die Körpertemperatur bei Anstrengungen in der kalten Winterluft gut regulieren zu können und eine warme Tasse Kakao oder Tee in den Händen. Das wärmt angenehm von innen und sorgt für einen klaren Kopf beim Wintersport.
 

# MYTHOS 5: Schnee ist Schnee ist Schnee! (stimmt nicht)

Sie lässt sich so schwer fangen, noch weniger festhalten, und Kinder finden sie oft schmackhaft: die Schneeflocke. Dabei besteht sie aus 90% Luft und nur zu einem geringen Teil aus Wassertröpfchen, die sich zu Eiskristallen bilden und miteinander verbinden. Dabei gleicht keine Schneeflocke der anderen und macht jede einzelne zu einem Unikat. Je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit sinken die Schneeflocken dick und weich, nass und patzig oder klein und zart vom Himmel. Je wärmer es ist – also um die 0 Grad Celsius – desto eher verhaken sich die unzähligen Flocken ineinander und bauschen sich zu einer großen Flocke auf. Im Bereich der Minusgrade hingegen lassen sich die klitzekleinen und wunderschönen Kristallhexagone (weil immer sechseckig!) ganz aus der Nähe im Detail betrachten. Diese Form ist die uns wohl bekannteste, wenn wir von Schneeflocken sprechen. Skifahrer:innen und Snowboarder:innen jubeln auf, denn wenn die zauberhaften Kristallsterne als Neuschnee die Berge und Täler weiß bedecken, heißt es: powdern – also Kurven schwingen im Pulverschnee. Ein traumhaftes Erlebnis! Wenn kurz darauf auch noch die Sonne strahlt und die Trilliarden gefrorenen Wassermoleküle als Schneedecke zum Glitzern bringen, ist das Winterwunderland auch bei uns angekommen.


# MYTHOS 6: Ein Niederösterreicher gilt als Pionier des modernen Skilaufs! (stimmt)

Seien wir uns ehrlich: Eigentlich hat Er das Skifahren erfunden. Zwar haben die Skandinavier mit der „Telemark“-Bindung schon lange zuvor die verschneiten Wälder und Berge auf Skiern durchzogen, doch der Niederösterreicher Mathias Zdarsky hat Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung der Stahlsohlenbindung Geschichte geschrieben und den Skilauf und somit den Skisport nachhaltig geprägt. Dank Zdarskys ausgeklügeltem Geist und Esprit hat er damals zigtausenden Menschen das Fahren auf zwei Brettern ermöglicht. Auch das „Bogerlfahren“ oder „Wedeln“, wie wir es heute kennen, ist von der damaligen Fahrtechnik, die Zdarsky passend zum neuen Skigefühl entwickelte, abgeleitet. Die innovative Bindung des Lilienfelders, die den gesamten Fuß am Ski festschnallte, und die von ihm ebenfalls entdeckte „Stemmbogen-Technik“, ließ erstmalig die Möglichkeit zu, Kurven am Berghang zu ziehen. Die Welt war nun bereit für den ersten Torlauf der Skisportgeschichte – und zwar am Muckenkogel im Mostviertel. Mathias Zdarsky zu Ehren wird jedes Jahr ein weltweit einzigartiges Nostalgieskirennen in Lilienfeld veranstaltet: mit kantenlosen Holz-Skiern, unpräparierter Piste, Lederskischuhen und Mono-Stock – ganz wie zu den damaligen Bedingungen. Ein historisches Spektakel, das nach wie vor viele mit Spannung verfolgen.


# MYTHOS 7: Der kälteste Fleck Mitteleuropas liegt in Niederösterreich! (stimmt)

Mitten im Hochsommer in einen Kaltluftsee springen – wie erfrischend wäre das denn? Aber Moment: ein „Kalt-Luft-See“? Tatsächlich liegt über dem Lunzer See im Ybbstal (in den nördlichen Kalkalpen) auf 1.270 Meter Höhe eine Doline, in der es ganzjährig eiskalt ist. In der natürlichen Senke, mitten in den Bergen, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die tiefste Temperatur Mitteleuropas gemessen: 52,6 Grad Minus! Warm anziehen müssen sich die Geolog:innen und Meteorolog:innen bei ihren wissenschaftlichen Untersuchungen in der Doline bis heute. Im Winter sinken die Temperaturen auf –40 Grad Celsius und auch während wir in der sommerlichen Hitze brüten, lassen sich nachts immer noch Minusgrade im „Grünloch“ messen. Dieses spannende meteorologische Phänomen entsteht, wenn Windstille, wolkenloser Himmel und eine Schneedecke am Grund der Senke auf kalte Polarluft treffen. Auch die Pflanzenwelt ähnelt eher jener der Tundra und weniger der Fauna und Flora der Almen und Wiesen Niederösterreichs. Da die ellipsenartige Form der Doline keinen „Abfluss“ ins Tal führt, entsteht auch keine Verwirbelung oder Durchmischung der Luftmassen im Kaltluftsee – die eisige Luft bleibt im Becken liegen. Streng geheim ist übrigens der exakte Standort der Doline, da übermäßiger Besuch das filigrane Ökosystem inmitten der Ybbstaler Alpen nachhaltig beeinträchtigen könnte.