„Ich mache Weine, die es eigentlich nicht mehr gibt!“

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Kann man unkonventionell und traditionsbewusst zugleich sein? Man kann, wie Weinhauer Maximilian Brustbauer aus Oberloiben in der Wachau beweist.

Späteinsteiger Weinhauer Maximilian Brustbauer hat das Prinzip Gastfreundschaft, das schon seine Eltern pflegten, auf ein neues Level gehoben. Nachzuerleben bei Brustbauers Heurigen in Oberloiben, bei Verkostungen und anderen ideenreichen Ereignissen im Weingut.

Gastgeberschaft scheint in der DNA Ihrer Familie zu liegen: Die Großeltern betrieben ein Gasthaus, ihre Eltern das Weingut mit Heurigen. Auch Ihr Webauftritt startet mit einem einladenden Eingangstor und der Headline: „Servus beim Weinhauer Brustbauer“. Sind für Sie Gastfreundschaft und offene Türen eine Selbstverständlichkeit für einen Weinbaubetrieb?

Maximilian Brustbauer: Um ehrlich zu sein: Als Kind war ich nicht immer glücklich, dass bei uns so gut wie immer Gäste im Haus waren. Viel später aber, als meine Eltern den Heurigenbetrieb einstellten, wurde mir bewusst: Diese Ruhe gefällt mir gar nicht, da fehlt das Leben!

Dass es im Haus wieder pulsiert, dafür haben Sie ja gesorgt, als Sie vor rund drei Jahren in Ihr Elternhaus zurückgekehrt sind. Was war der Anlass für diese Rückkehr und wo waren sie davor?

Das Weingut zu übernehmen, kam für mich zunächst nicht in Frage. Ich wollte studieren. Nach meinem Germanistik- und Geschichtsstudium arbeitete ich als Lehrer und Journalist. Insgesamt 15 Jahre lang. 2021 begann dann schrittweise mein Weg zurück in die Wachau, der Anfang 2023 mit der Übergabe des Betriebes an mich besiegelt war.

Betriebsübergaben verlaufen nicht immer reibungsfrei. Wie war das bei Ihnen?

Es ging recht glatt über die Bühne. Natürlich habe ich in mancher Hinsicht andere Vorstellungen vom Weinbau als meine Eltern, und ich setze sie – mit Bedacht und Respekt vor ihrer Erfahrung – auch durch. Den Rat meiner Eltern suche ich aber weiterhin. Außerdem: Ohne Eltern geht´s bei der vielen Arbeit vom Heurigen über Weingarten und Keller bis zu den Ferienwohnungen sowieso nicht.

Ihre Eltern haben viele Jahre lang sehr erfolgreich einen Heurigen betrieben. Setzen Sie bei Ihrem Heurigen auf Bewährtes oder machen Sie alles neu?

Ich würde sagen, ich mache es ähnlich, fahre aber eine noch konsequentere Linie. Noch mehr Gemüse kommt aus dem eigenen Garten, alles wird täglich frisch zubereitet, Saisonales spielt noch mehr Rolle. Unsere Lieferanten wählen wir sorgsam aus. Vom Wachauer Laberl aus der Bäckerei Schmidl bis zum Bio-Hochlandrindfleisch vom Dürnsteiner Zottlhof für das Saure Rindfleisch. Wir haben die Karte auch verkleinert. Es gibt rund zehn Standardgerichte plus fünf Monatsgerichte, die wir nach Saison und Verfügbarkeit auswählen und immer wieder auch in neuen Rezeptvariationen verkochen. Bei den Weinen bieten wir unsere gesamte Palette. Alle meine Weine werden beim Heurigen glasweise ausgeschenkt. Für mich ungeheuer wichtig, ein direkteres Feedback auf meine Weine kann ich nicht haben.

Gibt es so etwas wie ein Signature-Gericht, etwas ganz Spezielles beim Brustbauer Heurigen?

Ja, das ist bei uns das Veltlinerfleisch. Schopfbraten, der zunächst ein Veltlinerbad nimmt und dann drei Stunden im Rohr vor sich hin brät. Unter ständigem Aufgießen von Grünem Veltliner selbstverständlich. Serviert wird das Ganze mit Brot und Apfelkren. Den Braten macht, wie auch alle anderen Fleischgerichte, noch großteils meine Mutter. Meine Frau Kati übernimmt hier aber immer mehr, was insofern interessant ist, als dass Kati Vegetarierin ist. Dafür bereite ich als Fleischesser die vegetarischen Speisen zu, unseren Gemüsestrudel zum Beispiel. Täglich frisch mit Gemüse aus dem eigenen Garten.

Ihre Frau arbeitet auch im Weingut?

Ja, soweit das ihr Fulltime-Job in Wien zulässt. Sie ist meist an den Wochenenden im Einsatz. Kati ist auch immer dabei, wenn es ans Verkosten der Weine geht.

Der Heurige ist nicht das einzige Erlebnis, das Sie Ihren Gästen bieten. Man kann bei Ihnen übernachten, Hochzeit feiern, Konzerte und Lesungen besuchen, ja sogar Kinovorführungen gibt es. Wie kam´s dazu?

Schon in meiner Zeit als Journalist habe ich Diskussionen und Konzerte organisiert. Da musste ich mich immer irgendwo einmieten. Jetzt mache ich weiterhin Veranstaltungen, lasse aber die Leute zu mir kommen. Zum Beispiel Musiker aus meinem Freundeskreis, aber auch Musikgruppen, die mir von Gästen empfohlen werden. Für das Kino stelle ich einen Anhänger in den Gastgarten, Technik und Vorführung übernimmt die Truppe vom „Wanderkino Graz“. Es stehen zwei Filme auf dem Programm, einer immer mit dem Thema Wein. Der andere hat nur eine Vorgabe: Er muss mir gefallen. 

Und heiraten kann man bei euch auch?

Ja, und zwar in unserem Pavillon-Garten mit den wunderschönen Rieden Loibner Loibenberg, Schütt und Dürnsteiner Kellerberg im Hintergrund. Und für das Hochzeitspaar und die Trauzeugen stehen ein paar Schritte weiter auch gleich unsere vier Ferienwohnungen bereit.

Jetzt aber endlich zum Wein. Wie legen Sie´s an? Sie haben gesagt, dass Sie Weine hervorbringen, die es „eigentlich gar nicht mehr gibt!“ Was meinen Sie damit?

Na ja, viele Winzer gibt´s wohl nicht, die so wie ich bei ihren Bouteillenweine gänzlich auf Pressung verzichten und zu hundert Prozent auf Seihmost setzen. Ich tausche mich mit anderen Winzern aus, absolviere Kurse und lese viel, aber an aktuellen Trends orientiere ich mich weniger. Ich schaue eher, wie sie früher Wein gemacht haben und was meiner Frau und mir gefällt. Hilfreich sind da die Tagebücher, die meine Großeltern geführt haben. „Smaragdweine müssen ein Jahr im Fass liegen, danach ein Jahr in der Flasche, dann erst sind sie trinkbereit.“ – Solche Weisheiten stehen da drinnen. Auch wie sie früher die Batonnage (Aufrühren der Hefe) gemacht haben. Heute für uns ein großer Vorteil, da wir auf künstliche Schönungen verzichten, also keine technisierten Weine herstellen. Je länger ich Weinhauer bin und je tiefer ich in das Thema eintauche, umso mehr merke ich, wie recht die Großeltern haben.

Ihrer Großmutter haben Sie mit dem Riesling Smaragd namens „Oma Emilie“ ein Denkmal gesetzt ...

Ja, Oma Emilie wurde 99 Jahre alt und hat mit 97 Jahren noch im Weingarten gearbeitet. Sie hat mir 2016, da war sie 93, einen Weingarten zum „Ausprobieren“ überlassen. Ich konnte mich da gefahrlos austoben. Ganz ohne wirtschaftlichen oder sonstigen Druck. Diese Erfahrung hat meinen Zugang zum Weinhauer-Sein geprägt.

Und wie sieht dieser Zugang heute aus? Was kennzeichnet die Weine vom Weinhauer Brustbauer?

Ich sage immer: Ich bin kein Getränkehersteller. Ein Wein darf, ja er soll ruhig jedes Jahr anders schmecken. Wir setzen auf natürliche Hefe, verzichten auf künstliche Schönung des Weines. Es hat sich auch herausgestellt, dass die kleineren Fässer bis zu 750 l für die optimale Vergärung sorgen. Und weil in unserem 1.000 Jahre alten Keller ideale Temperaturen herrschen, brauchen wir auch nicht mit technischer Kühlung einzugreifen.

Es fällt auf, dass Sie den Begriff Winzer vermeiden und sich Weinhauer nennen. Warum?

Weinhauer klingt für mich mehr nach Handarbeit. Und die ist mir wichtig. Ich will als Betrieb so überschaubar bleiben, dass ich viele Arbeitsschritte noch mit meinen eigenen Hände und innerhalb der Familie erledigen kann. Also mit meinen Eltern und meiner Frau Kati. Die 2,5 Hektar Weingärten, die ich derzeit bewirtschafte, sind eine gute Größe dafür. Im Heurigenbetrieb haben wir natürlich zusätzliche Helfer, bei der Lese auch.

Aufmerksam auf Maximilian Brustbauer wurden viele durch die sogenannten „verkommenen Weine“. Was steckt hinter diesem rätselhaften Namen?

Ganz einfach: Ich brauchte Platz im Keller! Und da lagen noch ein paar tausend Flaschen, die beim Hochwasser 2013 unter dem Schlamm begraben wurden. „Unverkäuflich“ hieß es, weil die Etiketten weg waren. Aber an der Qualität der Weine – allesamt Smaragde, das stand fest – hatte sich ja nichts geändert. Also boten wir diese geheimnisvollen Schätze unter dem Namen „verkommene Weine“ an. Das Echo war sehr erfreulich. Ich nehme das demütig an, weil ich es auch als besonders schönes Kompliment für meine Eltern sehe. Es sind ja ihre Weine und ihre Leistungen. Unsere Kunden haben eine Riesenfreude, einen solchen Schatz zu heben, zu probieren und zu rätseln, was man da in der Flasche hat.

Die frischen Ideen scheinen Ihnen wohl nicht auszugehen ...

Nein, ich liebe die Abwechslung. Letzten Sommer zum Beispiel haben wir eine Kühlbox auf ein Handwagerl geladen und in unserem Kirschengarten an der Donau eine „Strandbar“ betrieben. Das werden wir auch diesen Sommer wieder machen, vorausgesetzt wir haben Lust dazu und das Wetter passt. Ich nehme mir die Freiheit, auszuprobieren, wozu mich dieser wunderbare Ort inspiriert. Dabei fühle ich mich gar nicht so sehr als Besitzer, eher als Verwalter dieses Schatzes, den ich hüten und lebendig erhalten will.

Noch mehr zu Maximilian Brustbauer 

Name: Mag. Maximilian Brustbauer
Geburtsjahr: 1986
Familienstand: Verheiratet mit Kati
In der Wachau am liebsten unterwegs: Mit Kajak oder Fahrrad
Lieblingswein: Pinot Blanc im Winter, „Mina Tant“ (Grüner Veltliner Federspiel) im Sommer
Heurigentipp: Adam Mühle in Spitz (stilvoll renovierte Mühle mit Heurigem, Weingut und Appartements)
Naturabenteuer: Mit dem Kajak in die Prinzenau (Seitenarm der Donau bei Rossatz), am besten mit Kanu-Wachau 
Wandern: Weiglwarte beim Sandl Bauern (schöne Wanderung inklusive Falkenwände und tollem Ausblick)
Authentisches Wachau-Feeling: Wösendorf und Mitterarnsdorf vis à vis
Empfehlenswerte Winter-Action: Langlaufen in Gutenbrunn (45 Autominuten von Dürnstein entfernt)

Interview von Fritz Gillinger

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