Energie im Fluss

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Um grüner Energie auf die Spur zu kommen, reichen ein paar Tritte in die Pedale. Das älteste Wasserkraftwerk Österreichs wartet darauf, entdeckt zu werden.

Die Donau vereint so manchen Gegensatz: Sie ist leises Naturrefugium, ein Ort des Rückzugs, an dem die Gedanken zur Ruhe kommen. Zugleich ist sie rastlos, wild und immer in Bewegung. Wer an ihren Ufern radelt, weiß: Sie steckt voller Energie.

Im wahrsten Sinne des Wortes nämlich: Fast drei Millionen Haushalte versorgen die Wasserkraftwerke an der niederösterreichischen Donau mit Strom. Damit ist unser längster Fluss nicht nur wichtigster Energielieferant Österreichs, er spielt auch eine Schlüsselrolle in der Energiewende. Als erneuerbare Energiequelle produzieren Wasserkraftwerke nämlich keinerlei klimaschädliche Brennstoffe. Aber wie funktioniert das überhaupt, wie wird aus Strömung Strom?

Wer einen Blick hinter die Kulissen der Wasserkraft werfen will, der steigt am besten in Ybbs-Persenbeug aus dem Sattel. Hier befindet sich das Besucherkraftwerk Ybbs-Persenbeug, das viertstärkste Österreichs. Es bildet gemeinsam mit den anderen Donaukraftwerken Wallsee, Melk, Altenwörth und Greifenstein das Rückgrat der heimischen Stromversorgung.

Vor mittlerweile 16 Jahren öffnete es den ersten Besucher:innen die Tore, heute zählt es bereits zu den beliebtesten Ausflugszielen in der Region. Kein Wunder, offenbart das Innenleben des Kraftwerks doch einen ziemlich spektakulären Anblick: gewaltige Maschinenräume, rotierende Generatoren und Turbinen mit dem Durchmesser eines Einfamilienhauses.

Tamara Leeb ist Guide und Geschäftsführerin des Betreibervereins Donaukraftwerksführungen in Ybbs-Persenbeug. Seit fast 15 Jahren führt sie Gruppen durch die Räumlichkeiten, sie kennt hier jeden Winkel, jede Düse, jeden Hebel und dennoch: Langweilig fand sie ihren Arbeitsplatz noch nie. „Man spürt die Kraft der Donau, das beeindruckt mich auch nach 15 Jahren jeden Tag aufs Neue“.

Das Schönste an ihrem Beruf, sagt Tamara Leeb, sei aber das Staunen der Kinder. Der Moment etwa, wenn sie begreifen, dass der Strom nicht bloß aus der Steckdose kommt, sondern einen weiten Weg zurücklegen muss, bevor er ihr Zuhause erreicht. Und sie ist sich sicher: „Wer einmal gesehen hat, wie Strom produziert wird, geht auch verantwortungsvoller damit um“.

Langweilig wird es aber auch abseits der Maschinenräume nicht. In interaktiven Stationen können all jene, die nach der Radtour noch Kraft in den Beinen haben, einen Turbinengenerator antreiben und so selbst Strom erzeugen. Wer sich die Kraft für den Heimweg sparen will, kann unterstützt von Virtual Reality durch die meterdicken Mauern sehen und dort das Innenleben der Maschinen beobachten.

Eines steht jedenfalls fest: Saubere Energie zählt im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels wohl zu den wichtigsten Themen unserer Zeit. Das merkt auch Tamara Leeb, die immer öfter Besucher:innen aus dem Ausland durch die Kraftwerksmauern führt. „International gesehen sind wir in Österreich echte Pioniere der Wasserkraft“. Auf das Wasserkraftwerk Ybbs-Persenbeug trifft das im besonderen Maße zu: Mit 64 Jahren ist es das älteste Österreichs.

Auch deswegen wurde das Kraftwerk in den vergangenen Jahren umfangreich erneuert. Alle sechs aus den 1950er-Jahren stammenden Turbinen und Generatoren wurden zum Beispiel durch hocheffizientere Maschinensätze ersetzt. „Das Herzstück des Kraftwerks ist jetzt hochmodern“, sagt Tamara Leeb.

Und vielleicht ist das noch so ein Gegensatz, den die Donau vereint: Sie ist historischer Ort, aber auch einer, der in die Zukunft weist. Allein deswegen lohnt es sich, vom Rad abzusteigen und vorbeizuschauen.