Rund um Semmering

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Wo zwischen schroffen Felsen Streuobstwiesen und Schafweiden liegen und eine Kaffeehalle urbanen Kaffeegenuss in die Sommerfrische holt.

Über enge Straßen navigieren wir uns vom Semmering zum Bauernhof und Mostheurigen Althammerhof. Dieser liegt noch höher als der Ortskern von Semmering. Vom Althammerhof aus überblicken wir nicht nur den Semmering: Durch den Wald schimmern die altehrwürdigen Grandhotels hindurch, und vis-à-vis erheben sich Zauberberg und Stuhleck. Die Ruine Klamm liegt uns zu Füßen, und am Horizont erspäht man den Wechsel. Die Semmeringbahn und das Wagner-Graben-Viadukt verlaufen direkt unterhalb des Hofes, den es bereits seit 1668 gibt. Einst war er ein Selbstversorgerhof, der auch Pferde gezüchtet hat. „In der Monarchie gab es in Schottwien eine Poststation, an der zusätzliche Pferde vorgespannt wurden, damit die Kutschen den Berg überwinden konnten. Daher gab es hier schon immer viele Höfe, die Pferde für die Fuhrwerke züchteten und versorgten“, erzählt Julius Schneidhofer, der den Althammerhof heute mit seiner Frau Andrea führt.

Hoch hinaus: Apfelsaft von Streuobstwiesen am Semmering

Vor dem Hof liegen die teils steilen Streuobstwiesen mit über 250 Obstbäumen. „Bei uns wächst alles – von Marillen über Kirschen, Weichseln, Zwetschken, Äpfeln bis zu Birnen und Walnüssen“, erklärt Julius. Obwohl der Hof auf einer Höhe von 850 Metern liegt, sorgt das pannonische Klima für milde Bedingungen. Obstbäume können trotz der Höhenlage kultiviert werden. „Ich veredle standortangepasste Sorten selbst“, sagt Julius. „Ich fahre mit offenen Augen durch die Region. Wenn ich in alten Bauerngärten Bäume entdecke, die jedes Jahr tragen, frage ich, ob ich einige Edelreiser abzwicken darf, um sie selbst weiterzuveredeln.“ Ein Fleck Schorf auf dem Baum ist für ihn ein Qualitätskriterium: „Dann weiß ich, dass der Baum nicht gespritzt wurde“, erklärt Julius. Rund 50 Apfelsorten gedeihen auf seinen Streuobstwiesen, darunter viele Renetten wie Kanada-Renette, Landsberger-Renette, Haberts-Renette, Gold-Renette, Champagner-Renette, aber auch Roter Boskoop, Ontario, James Grieve und Calville. Geerntet werden die Äpfel mit Leitern und von Hand. Aus den Äpfeln presst Julius eine Art „Gemischten Satz“ zu Saft und Most: „Das hat den Vorteil, dass man alle Geschmackskomponenten hat: Die säurebetonten Äpfel sorgen für eine angenehme Säure, während die gerbstoffhaltigen Apfelsorten das Produkt klären. Zudem bringt die Mischung aus süßeren Sorten die nötige Süße in den Saft und den Most. Das ist also ein Produkt, das von Haus aus passt. Wenn du’s klassisch machst, wie sie’s vor 100 Jahren gemacht haben, schmeckt das garantiert“, sagt Julius. Besonders hervorzuheben ist, dass der Most völlig CO2-neutral produziert wird. Als Teil der Initiative „Bucklige Welt Apfelmost“ gehören Julius' Moste zu den ersten in Österreich, die CO2-neutral hergestellt werden.

Zweifachnutzung der Streuobstwiesen und vielseitige Schafhaltung

Doch die Streuobstwiesen werden am Althammerhof sogar doppelt genutzt: Während auf den Hochstammbäumen das Obst gedeiht, weiden Schafe im Schatten der Bäume. „Die Schafe eignen sich für die steilen Hänge hier am Kreuzberg, weil sie viel leichter als Rinder sind“, erklärt Julius.

Im Jahr 1984 stellte Julius‘ Vater den landwirtschaftlichen Betrieb vollständig auf Schafzucht um. Heute hält Julius Jura-Schafe, Tiroler Bergschafe und Merino-Schafe für die Fleischproduktion sowie Ostfriesische Milchschafe für die Milchproduktion. Die Schafe werden nur bis Ende Oktober gemolken; danach folgt eine Regenerationsphase. Aus der Rohmilch produziert Julius hauptsächlich Frischkäse-Gupferl, aber auch einige Sorten Hartkäse und sogar eine Art Schafkäse-Mozzarella. Um seinen Tieren unnötigen Stress zu ersparen, schlachtet Julius im eigenen Schlachtraum und veredelt auch das Fleisch selbst. Damit die Tiere ganzheitlich verwertet werden, lässt Julius die Felle bei einer der letzten österreichischen Gerbereien, bei Holubovsky in Ybbsitz in Niederösterreich, gerben. Die Felle werden dann direkt ab Hof verkauft. „Wir achten immer darauf, dass alle Kreisläufe Sinn ergeben. Und wir arbeiten so regional wie möglich“, sagt Julius. So liefert er Käse und Fleisch auch „nur rund um den Berg“, wie er sagt, etwa ans Looshaus, auf die Speckbacherhütte, zum Knappenhof oder zum Restaurant Löffler. „Mit vielen Betrieben, wie beispielsweise dem Looshaus, pflegen wir schon seit der Zeit meines Vaters vor 30 Jahren eine enge Partnerschaft“, fügt er hinzu.

Gin vom Semmering – oder SemmerGin

„Meinen ersten Gin habe ich 2015 gemacht“, erzählt Julius. Kräuterbrände wurden freilich am Althammerhof immer schon hergestellt. Beim Gin muss Alkohol aus landwirtschaftlicher Produktion verwendet werden, wobei der Wacholder im Vordergrund stehen sollte, erklärt er. Der Wacholder gedeiht tatsächlich auf den Hängen rund um den Hof. „Bei uns am Berg wächst fast alles. Und der Wacholder hat schon immer eine Rolle gespielt, weil er früher zum Selchen, zum Speck-Machen und Einsuren gebraucht wurde“, sagt Julius. Und so nimmt er auch im „SemmerGin“ eine zentrale Geschmacksrolle ein, während die „Botanicals“, also das ebenfalls rund um den Hof geerntete Kräuterbouquet, dezent im Hintergrund bleibt. Den SemmerGin gibt’s ebenso wie die Schafprodukte direkt ab Hof im eigenen Hofladen.

Gastfreundschaft am Kreuzberg

Auch der Tourismus hat schon immer eine wichtige Rolle auf dem Althammerhof gespielt. Julius' Großmutter führte einst eine Vollpension. „Das waren noch die Zeiten der klassischen Sommerfrische. Damals reisten Wiener Familien für den gesamten Sommer an“, erinnert sich Julius. Heute bieten er und Andrea Apartments zur Selbstversorgung an. Seit 1986 gibt es auch den Mostheurigen, in dem hofeigene Produkte serviert werden. Der Fokus liegt dabei freilich auf Apfelsaft und Most, Schafkäse und Lammfleisch. Wir setzen uns an einen der Tische in der urigen Gaststube und probieren verschiedene Köstlichkeiten: Frischkäse-Gupferl mit Kräutern und Kernöl, geräucherten Schafkäse mit Bockshornklee und als süßen Abschluss das Frischkäse-Gupferl mit Zimt, Waldhonig und Walnüssen. Wir empfehlen: Bei Schönwetter unbedingt auf der herrlichen Sonnenterrasse Platz nehmen und den unglaublichen Weitblick genießen.

Die Welt zu sich holen: Kaffeehalle in Semmering

Gestärkt von der Jause geht es für uns hinunter in den Luftkurort Semmering. Entlang der Hochstraße, der Hauptstraße des Ortes, reihen sich die einstigen Grandhotels aneinander – vom Hotel Belvedere über das Grandhotel Panhans bis zum ehemaligen Südbahnhotel. Dazwischen befinden sich unzählige, prachtvolle Semmeringvillen, von denen jede auf ihre Weise vom einstigen Glanz der Monarchie kündet. Schräg gegenüber des Panhans, auf Höhe der Semmeringer Pfarrkirche, treffen wir Andreas Lettmayer von der „Kaffeehalle Semmering“.

2021 beschloss der Journalist und Fotograf: „Ich war genug in der Welt unterwegs, jetzt hole ich mir die Welt zu mir.“ Ein Glück, dass seine Familie immer schon ein Haus an der Hochstraße in Semmering besaß, dessen Erdgeschoss er kurzerhand in seine „Kaffeehalle“ umwandelte. Als Journalist hatte er schon immer und überall Kaffee getrunken („Auch viel sehr schlechten.“), doch ab sofort wollte er nur noch richtig guten Kaffee trinken und zubereiten. Er legt die Gastro-Prüfung ab, lässt sich zum Barista ausbilden und lernt von Kaffeeröster Peter Steininger. Er investiert in eine schweizerische Kaffeemühle und eine amerikanische Slayer-Kaffeemaschine, die als eine der besten Espressomaschinen der Welt gilt. „Das Tolle am Kaffee ist, dass er den Algorithmus nicht ändert“, sagt Andreas und lacht. Dem Zufall überlässt er trotzdem nichts, insbesondere nicht bei der Kaffeemühle: Je nach Temperatur und Luftfeuchtigkeit justiert er die Mühle täglich neu, um die Kaffeequalität konstant hoch zu halten. Die Überraschung der Gäste, die eine Speciality Kaffeebar wie die Kaffeehalle an einem Ort wie Semmering nicht erwartet hätten, bereitet ihm zusätzlich Spaß: „Die Gäste flanieren zwischen den Grandhotels und den Villen in Semmering umher und entdecken plötzlich die Kaffeehalle. Sie trinken einen Kaffee. Und am nächsten Tag kommen sie wieder. Und wenn sie noch länger da sind, auch am darauffolgenden.“    

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