Naturkraft in Wald und Magen

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Von Pflanzen bis zum Wasser: Johann Pichler kann Bände über die spezielle Kraft der Ysperklamm füllen, Lukas Krenn setzt in seiner Wirtshausbrennerei darauf.

Wenn Johann Pichler in der Ysperklamm die Schönheit ihrer Natur vermittelt, weiß er auch genau, wie diese auf den Körper wirkt. Mit dem Erleben des Yspertals über den Geschmack kennt sich Lukas Krenn besonders gut aus: Seine Wirtshausbrennerei Krenn packt die Kraft der hiesigen Pflanzen und Früchte vor allem in Edelbrände.

In Wäldern tanken wir Kraft. Durchwandern wir sie, so atmen wir Terpene ein, jene Stoffe, die Pflanzen an die Waldluft abgeben und die dann auch das menschliche Immunsystem stärken. Lukas Krenn denkt in der Natur rund um die Ysperklamm sofort an diese chemischen Reaktionen, die das Grün auslöst. „Und wir haben hier haufenweise Grün um uns!“, sagt der Jungwirt der Wirtshausbrennerei Krenn im Yspertal. Er findet, dass man sich beim Streifen durch die Klamm Zeit nehmen und die Augen aufmachen sollte: Viel gibt es zu entdecken. Diese Einstellung teilt mit ihm Johann Pichler, der ein „waschechter Yspertaler“ ist und als Natur- und Landschaftsvermittler Wanderungen zu den schönsten Plätzen macht. Während Pichler dabei anderen zeigt und erzählt, wie man die Kraft der Natur hier nützen kann, profitieren in der Wirtshausbrennerei Krenn vor allem deren kulinarischen Erzeugnisse von der Power des Yspertals. Und in weiterer Folge die Gäste, wenn sie diese verkosten – angefangen bei den hauseigenen Edelbränden.

Wasser, Holz und Brand

Auf die Kraft der Elemente in der Ysperklamm berief man sich schon im 16. Jahrhundert. Damals wurde am oberen Ende der Ödteich zur Holzschwemme angelegt. Wenn dann geschlägertes Holz, das in Klafter von 75 cm Länge geschnitten wurde, über die Klamm in Richtung Wien floss, „war das ein Schwall und in kürzester Zeit war es bei der Donau”, weiß Johann Pichler. Der 76-Jährige hat sich durch ausführliches Hinschauen und Zuhören allerhand Wissen angeeignet und kennt selbstredend neben vielen Sagen auch die Geschichte der Klamm als Holztransportweg, die bis 1929 andauerte. Mittlerweile gehören die Wege im dichten Weinsberger Wald den Wandernden und das wildfließende Wasser der Ysper den Fischen, die sich darin tummeln, der Bachforelle oder dem Saibling. Wobei sie teilen müssen: Das Wasser im Hahn ist hier auch von der Quelle der Ysper gespeist. „Das ist ein Erfolgsfaktor unserer Edelbrände, deren Grundelement das Wasser ist“, sagt Lukas Krenn. „Es ist hier sehr speziell, eisenhaltig und weich.“ 

Mehr als 800 internationale Prämierungen bekam die Wirtshausbrennerei Krenn bereits, die auch auf die Energie des Waldes zurückgreift: Einen der Brennöfen befeuern sie mit Holz aus dem eigenen Wald am Kaltenberg, nahe der Klamm. Und den vielleicht wichtigsten Beitrag zum Erfolg der kraftvollen Brände leisten die Kräuter und Früchte der Gegend, die hineinkommen: Ganz besonders sei der aus den eigenen Kriecherln, meint Krenn.

Wilde Pflanzenkraft voraus

Am Weg in die Klamm leuchtet da und dort die runde Pflaumenart von Streuobstbäumen, von denen einige der Wirtshausbrennerei gehören: „Aus den Kriecherl machen wir den Brand, aber zum Beispiel auch Marmelade oder Desserts“, so Krenn. Daneben wachsen einige Apfel- und Birnensorten im Umkreis, etwa die Kaiserholzbirne, die ihren Ursprung im Yspertal, am Habsburgerschloss Rorregg, hat: „Sie ist ebenfalls wichtig für uns, weil es die nur hier bei der Ysperklamm gibt und wir sie aktiv erhalten und veredeln wollen.“ Auch bei den Speisen im Wirtshaus der Brennerei beruft sich die Familie auf die Pflanzen vor der Türe, pflückt Holler- und Fliederblüten, fermentiert Kimchi aus regionalem Kohlrabi, macht Gin aus eigenem Kren. „Wenn ich unterwegs bin, sammle ich Wiesen-Schaumkraut“, schildert Krenn, „und meine Mutter geht gern zu einem Nebenfluss der Ysper, nimmt Kräuter vom Wegesrand mit und hackt sie zu einer Mischung, die in fast jedes Essen kommt.“

Was die wilden Pflanzen können, beantwortet Johann Pichler aus dem Stegreif. Er kennt die Gegend in- und auswendig und nimmt an Treffen zum Thema Naturverstehen teil. „Ich bin ein Fan der Schafgarbe mit ihren weißen oder rosa Blüten, die hier am Wegrand wächst“, erzählt er. Jeden Tag trinkt er einen Tee aus ihr: „Das hemmt rheumatische und alle möglichen anderen Beschwerden.“ Ist er auf einer Führung unterwegs, pflückt er ein raues, spitzes Blatt vom Beinwell – erkennbar an bläulichen, glockenförmigen Blüten – und fordert jemanden auf, dieses auf eine schmerzende Stelle zu legen. „Wenn wir von der Wanderung zurückkommen, sind die Schmerzen weg.“

Energieplatz der Druiden

Pichler hat die heilende Wirkung selbst erfahren und auch, dass sie über Pflanzen hinausgeht: „Ich bin in der Klamm zu einer Stelle gekommen, wo ich plötzlich wie ausgewechselt gegangen bin und ein warmes Gefühl in den Füßen gespürt habe.“ Inzwischen kennt er die Orte, an denen hier energetische Kraftlinien mit außergewöhnlichen geomantischen Schwingungen liegen. „Auch die Druiden haben das genützt“, weiß er. An den Linien findet man die rätselhaften Granitsteinformationen, die das Yspertal prägen. Entlang dieser einstigen Kultstätten hat Pichler den „Druidenweg“ mitangelegt, ein Rundwanderweg in zwei Varianten, in sowie nahe der Klamm, bis zur Wirtshausbrennerei. An der Wegführung war auch der Vater von Lukas Krenn beteiligt. Der Sohn ist vor einem guten Jahr in den Familienbetrieb eingestiegen, war davor lange in Wien. Wie einzigartig die Gegend bei der Ysper ist, weiß er jetzt definitiv zu schätzen: „Ein besonderer Kraftplatz und Rückzugsort mit intakten Wäldern, sauberer Luft und tollem Ausblick“.