Der Sternenjäger und der Weg dorthin

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Im Astronomischen Zentrum Martinsberg blickt man vom Waldviertel ins Weltall. Obmann Michael Jäger zeigt bei Führungen und Wanderungen den Weg zu den Sternen.

Nächster Halt Milchstraße: Am Ysper-Weitental-Rundwanderweg, am Kremstalweg, Lebensweg oder Sternwarte-Wanderweg erreicht man bei Martinsberg das Astronomische Zentrum rund um die Sternwarte Orion. Hier sind Himmelsbeobachtungen besonders beeindruckend, weiß Michael Jäger vom Astroverein.

Herr Jäger, was macht Martinsberg zum idealen Ort für das Sternebeobachten?

Michael Jäger: Der Blick auf die Sterne wird vom Menschen zunehmend eingeschränkt. Mit der Ausweitung der Siedlungs- und Gewerbegebiete hat in den vergangenen Jahrzehnten auch die Lichtverschmutzung in Mitteleuropa deutlich zugenommen. Von unseren Gästen hören wir aber immer wieder: Hier ist es wirklich dunkel. Das hat zwei Ursachen: Die Region um Martinsberg ist relativ dünn besiedelt. Zudem begünstigen die klimatischen Verhältnisse die Beobachtung. Aufgrund der Höhenlage – das Astronomische Zentrum Martinsberg befindet sich auf 860 Meter – gibt es hier meistens einen transparenteren Himmel als in den Niederungen. Die Höhe merkt man auch an den Temperaturen. Zwischen der Wachau und dem Oberen Waldviertel haben wir in der Regel eine Differenz von 6 Grad.

Ist es wichtig, dass es solche Plätze mit niedriger Lichtverschmutzung noch gibt?

Michael Jäger: Das ist etwas Besonderes und wir müssen darauf Acht geben. Vor allem die Umstellung auf LED-Lampen hat zuletzt die Situation verschärft. Sie verbrauchen zwar weniger Strom, machen aber den Nachthimmel noch heller. Und viele Beleuchtungen in der Nacht sind unnötig. Es gibt nur noch wenige Oasen, wo man den Sternenhimmel fast ohne Einschränkung sehen kann. In Niederösterreich sind es zwei Gebiete, wo es noch richtig dunkel ist: neben dem Voralpenraum eben noch im südwestlichen Waldviertel, und hier besonders in der Region um den Weinsberger Wald bei Martinsberg.

Kann man hier auch mit dem freien Auge Himmelskörper erkennen?

Michael Jäger: Der dunkle Himmel macht es möglich, dass wir in sehr klaren Nächten bis zu 5000 Sterne sehen können. Aber nicht nur das! Besonders im Sommer haben wir einen hervorragenden Blick auf die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, die 300 Milliarden Sonnen beherbergt. Nachdem sie zugleich eine Scheibe ist, erstreckt sie sich am Himmel als langgezogenes diffuses Band. Ebenso mit freiem Auge haben wir unsere Nachbargalaxie gut im Blick: Der sogenannte Andromedanebel ist zwei Millionen Lichtjahre entfernt. Das bedeutet, dass wir hier ein so viele Jahre altes Licht ohne optische Hilfsmittel sehen können – das ist in der Stadt nicht möglich.

Und mit dem Teleskop sehen Besucher:innen noch mehr.

Michael Jäger: Besonders beeindruckt sind sie, wenn wir mit dem Fernrohr den Mond sowie die hellen Planeten Jupiter, Saturn, Mars und Venus zeigen. Und oft gibt es zum Abschluss noch einen Blick auf offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen sowie Gasnebel in der Milchstraße und fernen Galaxien. Unsere historische Sternwarte modernisieren wir gerade, dann haben wir bald ein zeitgemäßes Teleskop und noch mehr Möglichkeiten.

Welche Beobachtungen haben Sie selbst fasziniert?

Michael Jäger: Ich bin wirklich leidenschaftlicher Kometenbeobachter: Seit 40 Jahren verfolge ich jeden sichtbaren Schweifstern – und ist er besonders hell, zeigen wir ihn unseren Besuchern. Mein größter Erfolg als Kometenbeobachter war die Entdeckung des periodischen Kometen 290P/Jager. Weiters bin ich Entdecker von sieben Mini-Kometen.

Wie kamen Sie denn zur Astronomie und dann hier zur Sternwarte?

Michael Jäger: Ich bin eigentlich ein gebürtiger Wiener. In meinen jungen Jahren habe ich in der Nähe des Planetariums gelebt und als Jugendlicher bin ich zur Urania Sternwarte gegangen und habe bald mein erstes Fernrohr gehabt. Das war mein Einstieg. Ins Waldviertel bin ich erst als Pensionist auf der Suche nach einem Platz für meine Privatsternwarte gekommen, die ich hier errichtet habe. Gleichzeitig mache ich jetzt die Führungen in der öffentlichen Orionsternwarte, die hier seit den 1960er-Jahren betrieben wird.

Beide Sternwarten sind Teil des neuen Astronomischen Zentrums Martinsberg. Was gehört noch dazu?

Michael Jäger: Nachdem Anfang der 2000er-Jahre die Orionsternwarte saniert wurde, hat man 2009 auf Betreiben des Astronomischen Vereins mit Sitz in Wien am Areal auch eine Feuerkugelstation errichtet. Sie ist eine von 20 Stationen eines internationalen Netzwerks an Meteorkameras, die helle Sternschnuppen dokumentieren, um einen möglichen Einschlagsort auf der Erde zu berechnen. 2021 hat die Gemeinde Martinsberg dazu ein Ausstellungs- und Präsentationsgebäude errichtet und uns Amateurastronomen übergeben. Dann wurden meine Privatsternwarte und eine weitere errichtet. Das zusammen ergibt jetzt das Astronomische Zentrum Martinsberg. Unser Ziel ist es, den Menschen die Sterne näher zu bringen – in Form von Vorträgen mit anschließender Beobachtung durch die Fernrohre.

Sie schauen aber nicht nur durchs Fernrohr, sondern gehen auch raus?

Michael Jäger: Ja, als Besonderheit wollen wir uns auch als wandernde Astronomen präsentieren. Dieses Jahr machen wir gleich drei Vollmond- und erstmals auch zwei Nachtwanderungen, um sowohl die Landschaft als auch die Sterne genießen zu können – Himmel und Erde. Apropos Wanderungen: Neben dem eigenen Sternwarte-Wanderweg führt auch der Waldviertler Lebensweg vorbei.

Was raten Sie denen, die sich als Astronom:innen versuchen wollen?

Michael Jäger: Für eine gelungene Beobachtung braucht es eine gute Vorbereitung. Also sollten sie einen Beobachtungsplan für die Nacht erstellen: Was will ich sehen und welches Fernrohr oder welche Kamera setze ich ein? Kennen sie sich gar nicht aus, holen sie sich Tipps von Vereinen. Dann sollte die Wahl des Beobachtungsstandorts folgen: Idealerweise finden Sie ihn abseits der Wohngebiete und erkunden ihn schon untertags. Am Ende werden Sie überrascht sein, wie viele Sterne Sie nach ein paar Sekunden Belichtungszeit mit der stehenden Kamera oder dem Handy erkennen können – einfach probieren!