Semmeringeisenbahn

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Revolutionäre Bahnstrecke und ästhetisches Gesamtkunstwerk.

Als die Alpen zum Zug kamen: Die Semmeringbahn gilt als Paradebeispiel für das harmonische Zusammenspiel von ungestümer Alpinlandschaft und eleganter Baukunst. Dem Zauber von Bahn und Umgebung konnten sich auch die Gremien der UNESCO nicht entziehen: Die Bahnstrecke wurde von ihnen 1998 zum Welterbe erhoben.

„Man sollte nie mit dem Auto über den Semmering fahren. Die Gebirgslandschaft wird durch die Eisenbahnstrecke erst sichtbar, sie gliedert sich daran entlang.“ Kluge Worte eines Kundigen! Der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer (1896–1966) verbrachte zeitlebens die Sommermonate in seiner Familienvilla im Semmeringgebiet und wusste daher um das Verwobensein von Bahn und Landschaft. Und noch heute kommt sich der mit der Bahn Reisende am Semmering wie in einem Film vor: Hinter jeder Kurve zieht eine neue Szenerie auf – schroffe Felspartien, aparte Galerien, kühn gespannte Viadukte, und das alles eingebettet in die bezaubernde Landschaft eines der letzten Ausläufer der Ostalpen.

Technisches Meisterwerk

Die von Gloggnitz über den Semmeringpass nach Mürzzuschlag führende Bahn war die erste normalspurige Gebirgsbahn Europas, ein Meilenstein der Geschichte des Eisenbahnbaus. Um die 459 Höhenmeter hinauf zur Passhöhe und 271 Höhenmeter wieder hinunter zu überwinden, braucht die Semmeringbahn 42 Kilometer, 14 Tunnel, 16 Viadukte, mehr als 100 steinerne Brücken und Durchlässe sowie Steigungen, die immer wieder Höchstwerte von 28 Promille erreichen, was knapp vorm Zahnradzwang ist. Geplant hat das Schienen-Kunstwerk Carl Ritter von Ghega, in Venedig geborener Sohn albanischer Eltern, der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Chefingenieur der Südbahn aufstieg – eine typische Techniker-Karriere in der völkerverbindenden k.u.k.-Monarchie. Gebaut wurde die Strecke von 1848 bis 1854 von rund 20.000 Arbeitern, darunter übrigens auch ein Drittel Frauen.

Der Charme des Fin de siècle

Mit der Bahn gelangte damals die feine Gesellschaft Wiens innerhalb einer Stunde ins alpine Gefilde. Die Region um den Semmering entwickelte sich dank der neuen Verbindung zum bevorzugten Sommerrefugium von allem, was in Wien Geld, Rang, Adel oder Kultur hatte. Die verspielten Villenbauten und Grand Hotels, der anmutige Kurpark und das traditionsreiche Kurtheater in Reichenau, die Flaniermeilen am Semmering mit dem grandiosen Panorama auf die atemberaubende Bahntrasse der Semmeringbahn: In einem der einst führenden Luftkurorten Europas ist auch heute noch viel vom charmanten Flair des Fin de siècle präsent.

Sommerfrische und Wintersportort

Heute wird der Semmering dank seiner gut ausgebauten Skipisten auch im Winter viel frequentiert. Doch das ganz innere Wesen der Region ist ein zurückhaltendes, eines das dezent Gegenwart und Geschichte elegant verbindendet. Man wandert durch die stillen Wälder, steht staunend vor prächtigen Gründerzeitvillen und kann auch stilgemäß in Bauten aus der Belle Èpoque nächtigen. Und wo immer man sich am Semmering auch befindet: Die Chancen, in einiger Entfernung das Rattern von weltkulturell ausgezeichneten Zugrädern zu hören, stehen nicht schlecht.

Semmering