Die Perlen von Poysdorf

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Auf dem Saurüsselweg wandern Sie zwischen alten Reben, weiten Feldern und den Spuren des österreichischen Schaumweins. Zwei Ausnahmewinzer:innen erzählen.

Poysdorf und die Champagne sind sich näher, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Sie sind beliebte Wanderregionen, liegen auf demselben Breitengrad, haben ein ähnliches Klima, sind Heimat einer außergewöhnlichen Winzerschaft und vor allem: von erstklassigen Schaumweinen.

Vom Saurüssel zum Sekt

Wer dem Saurüsselweg, einer gemütlichen, rund sechs Kilometer langen Wanderroute vom Weinmarkt Poysdorf aus über die Kolpingstraße und vorbei am Oldtimermuseum in die Rebenlandschaft folgt, die/der entdeckt einen kleinen Schatz: eine Riede in Südlage, geschützt von Wind, der Sonne exponiert, eingebettet in die weiten Felder und Hügel des Tals des Poybaches. Ein Hang, nur 13 Hektar groß, der von seiner Form ein wenig an einen Saurüssel erinnert und auch so heißt. Mehrere Winzerfamilien teilen sich die Riede Saurüsseln, dieses begehrte Stück Land. Eine von ihnen ist die Familie Riegelhofer, die zu den größten Sektproduzenten Österreichs zählt.

Was Schaumweine betrifft, kann das familiengeführte Weingut auf eine lange Tradition zurückblicken: Seit mehreren Generationen wird hier, in Poysdorf, Sekt hergestellt, seit mehr als 90 Jahren beliefern sie Schlumberger. „Chardonnay, Grüner Veltliner, Weißburgunder und Welschriesling sind die Hauptsorten dafür“, sagt Max Riegelhofer Senior. Der heute 80-Jährige reiste seinerzeit etliche Male in die Champagne und nahm neben Eindrücken auch nützliches Wissen um die Produktion von Schaumweinen mit. Zwar liegen zwischen Poysdorf und der Champagne knapp 1.000 Kilometer, die Ähnlichkeiten seien aber nicht abzustreiten, so Riegelhofer. Neben dem Breitengrad, dem wechselhaften Wetter und der grün gewellten Hügellandschaft teilt man hier wie dort eine ähnliche Einstellung: Schaumweine stehen für Genuss, sie sind der Inbegriff von Ausgelassenheit und Lebensfreude. Der Raum Poysdorf, sagt Max Riegelhofer, eigne sich jedenfalls hervorragend für die Herstellung von Schaumweinen – nicht umsonst kommen fast 75 % der Trauben für die Schaumweine aus der Umgebung.

Wie kommen die Perlen in den Sekt?

Neben dem Mikroklima liege das vor allem an dem ortstypischen Lössboden, der dem Wein eine ganz spezielle Apfelsäure verleihe, so Riegelhofer. Allein mit Klima und Boden ist es aber längst nicht getan: Für die Herstellung von Sekt braucht es Erfahrung und vor allem das richtige Gespür. „Die Trauben müssen für Sekt früher und vor allem sehr sorgfältig geerntet werden. Denn jeder Fehler, jede Fäule verstärkt sich in der zweiten Gärung“, erklärt Max Riegelhofer, der seine Leidenschaft für Schaumweine auch dem breiten Publikum zugänglich gemacht hat. Gemeinsam mit Schlumberger betreibt er die Sektwelt, ein Spezialmuseum in einem historischen Klosterkeller in der Poysdorfer Gstetten, wo sich alles um das Thema Sekt dreht.

Sekt der Superlative

Wer dem Saurüsselweg auf dem schmalen Schotterweg weiter Richtung Poybach über eine kleine Steigung folgt, vorbei an Ketzelsdorf und der Hubertuskapelle, wird sie schon von weitem erkennen: die Rebstöcke des Weingutes Ebner-Ebenauer in der Riede Steinberg. Ihre Besonderheit – das, was die Weine des Hauses Ebner-Ebenauer so charakterstark macht – bleibt dem freien Auge hingegen verborgen. Kein Wunder: Es liegt auch 20 Meter unter der Erde. So tief nämlich graben sich die knorrigen Wurzeln der Rebstöcke in den kalkigen Löss und kommen damit an Mineralien, die Wein und Sekt eine unverkennbare, tiefe Würze verleihen. Eine Eigenschaft, welche die Reben ihrem hohen Alter zu verdanken haben. Immerhin konnten sie in ihrem bis zu 70 Jahre alten Leben schon eine Menge Erfahrungen sammeln und lernen, mit den widrigsten Umständen zu leben.

Fügt man all das zusammen – die alten, tiefwurzelnden Reben, den kalkigen Lössboden und die Hingabe und Leidenschaft des Winzerpaares Marion und Manfred Ebner-Ebenauer –, dann entsteht ein Sekt so hochwertig und unverkennbar, dass er selbst am internationalen Markt als Superlative gehandelt wird. Der „Blanc de Blancs Zero Dosage“ wird nicht nur seit Jahren als bester Sekt Österreichs geführt, sondern mischt auch in der Champions League der Schaumweine, gemeinsam mit den größten und edelsten Champagnern wie Dom Pérignon, Taittinger oder Krug, mit.

Stellt Champagner in den Schatten

Das Potential der Region für erstklassige Schaumweine erkannte Winzerin Marion Ebner-Ebenauer, die selbst große Champagner-Liebhaberin ist. „Schaumweine haben mich schon immer gefesselt, sie haben etwas Lustvolles, sie sind unbeschwert und, ja, auch ein wenig unvernünftig“, sagt sie. Und genau das mache auch ihren Reiz aus. Insgesamt sechs Jahre tüftelte sie gemeinsam mit ihrem Mann Manfred Ebner-Ebenauer an dem „Blanc de Blancs“, ganze sieben Jahre reifte er im Keller, bis er schließlich ihren Ansprüchen genügte, in den Handel kam und zugleich den Geschmack von internationalen Top-Sommeliers geradezu übertraf. Den direkten Konnex zwischen Poysdorf und der Champagne stellte dann niemand geringerer als der weltweit berühmteste Weinkritiker Robert Parker her, indem er sagte: „Ebner-Ebenauers Blanc de Blancs Zero Dosage is killing champagne!“ Seither sind die zwei Orte, Poysdorf und die Champagne, zumindest in der Weinwelt ziemlich nah aneinandergerückt.

Wer sich davon selbst überzeugen will, folgt dem Saurüsselweg ein paar hundert Meter, bis er wieder ins Ortsgebiet Poysdorf kommt, und macht vor seinem Ende noch einen Abstecher in das Weingut Ebner-Ebenauer. Hinter den Türen erwartet Sie neben erstklassigen Schaumweinen auch ein Haus, das mit seinen grünen Fensterläden, den verwinkelten Ecken und verwachsenen Fassaden genauso gut in Frankreich stehen könnte.