Die Stadt aus Sicht eines Locals

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Kulturelle und kulinarische Lieblingsorte von Marlies Eder.

Zwischen den barocken Gassen der Innenstadt und dem architektonisch modernen Kulturbezirk St. Pöltens hat uns Marlies Eder, Kulturmanagerin des Festspielhauses, ihre kulturellen und kulinarischen Lieblingsorte vorgestellt und ihre Begeisterung für die niederösterreichische Landeshauptstadt geteilt: „St. Pölten schafft es, trotz seiner Größe ein Gemeinschaftsgefühl zu bewahren, das in größeren Metropolen oft verloren geht. Es ist die Mischung aus Gemeinschaftssinn, kultureller Dynamik und der Qualität des täglichen Lebens, die mich immer wieder aufs Neue begeistert.“

Marlies Eder, die die kulturellen Lebensadern von St. Pölten wie kaum eine andere kennt, taucht durch ihre Arbeit als Kulturvermittlerin tief in das kreative Herz der Stadt ein. Auf einer ganz persönlichen Tour durch „ihr“ St. Pölten zeigt sie uns, wie kulinarischer Genuss, Kunst und Kultur hier Hand in Hand gehen.

07:30 Uhr – Frühstück und Kreativ-Meetings im Café Schubert

Der Tag von Marlies Eder beginnt vorzugsweise im Café Schubert am Herrenplatz. An einem der großen Fenster beobachtet sie, wie die morgendliche Stille der Innenstadt langsam vom geschäftigen Treiben abgelöst wird. Zum ersten Kaffee, frisch gebrüht aus Bohnen der St. Pöltner Kaffeerösterei Kaffeelix, genießt sie ihr Lieblingsfrühstück: ein Butterhandsemmerl mit weichem Ei. Im Café trifft sie nicht nur uns für ein Gespräch über ihre Rolle als Kulturvermittlerin, sondern verabredet sich auch gerne mit Kolleg:innen und Netzwerkpartner:innen: „Wenn es um den Austausch geht, treffe ich mich gerne hier. Es ist der ideale Ort für Projektbesprechungen und kreative Zusammenkünfte. Umgeben von der Energie der Stadt entstehen oft die besten Ideen – manchmal sogar aus einem spontanen Gespräch mit den Tischnachbarn.“

8:30 Uhr – Domplatz, Wochenmarkt und Lieblingsgeschäfte

Nach einem inspirierenden Start verlassen wir das Café und spazieren zu Fuß durch die Innenstadt von St. Pölten. Marlies führt uns zunächst in das Antiquitätengeschäft „Kremsers Schatztruhe“ in der Alten Spora Apotheke direkt gegenüber dem Café. Nach dem Umzug der Apotheke fand das Geschäft dort seinen Platz. Emma und Karl Kremser haben das denkmalgeschützte Gebäude behutsam renoviert, um den historischen Charme zu bewahren. Unter den ausgestellten Antiquitäten entdecken wir auch die beliebte „Daisy“-Geschirrserie von „Lilien-Porzellan“ aus Wilhelmsburg. „Die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner sind Sammler und Bewahrer“, sagt Marlies.

Die Galerie Maringer am Herrenplatz ist ein weiterer Anlaufpunkt für Marlies, den sie besonders für die Vernissagen schätzt: „Die Eröffnungen in der Galerie Maringer sind ein beliebter kultureller Treffpunkt hier in St. Pölten. Ich bin regelmäßig dabei.“ Ende 2023 hat Maxi Maringer die Galerie von ihrem Vater, Karl Heinz Maringer, übernommen, der diese Kunst-Institution 1977 gründete.

Der Weg führt uns weiter zum Domplatz, wo der Wochenmarkt bereits in vollem Gange ist. „Ich versuche immer, den Domplatz zu überqueren, wenn ich durch die Stadt gehe – er ist mein absoluter Lieblingsort“, sagt Marlies. Dort stehen laufend unterschiedliche Kunstwerke. Bis August 2024 ist es das Kunstwerk „Ein Bad für Florian“ von Christian Philipp Müller, platziert an der Stelle, wo einst im 3. Jahrhundert n. Chr. ein römisches Badehaus stand. Die kreisförmig angeordneten Stelen werden an diesem Markttag von vielen genutzt, um eine Pause einzulegen. „Ich finde es toll, wie die Sankt Pöltnerinnen und Sankt Pöltner das Kunstwerk in ihren Alltag integrieren“, sagt Marlies. Die Obelisken, ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen, beherbergen im nördlichen eine Figur von Florian, dem einstigen Statthalter von St. Pölten.

Auf dem Markt kennt Marlies etliche Marktstandler:innen. „Ich bin ein Markt-Girlie“, sagt sie. „Samstags gehe ich immer auf den Markt, und selbst donnerstags versuche ich, auf dem Weg ins Büro kurz vorbeizuschauen.“ Sie kauft Sauerkraut von Hell’s aus Absdorf, Striezel, Wurstknödel, Apfel- und Dirndlsaft von der Familie Gatterer. Am Stand von Famos Delikatessen darf ein Cronut von der Bäckerei Öfferl nicht fehlen, dazu ein Kaffee vom Stand von Kaffeelix.

Gleich um die Ecke besuchen wir in der Domgasse noch das Delikatessengeschäft „Famos“ von Timna Tauchner und Ingeborg Lorenz. Die beiden betreiben auch einen Stand am Wochenmarkt, aber im Geschäft finden sich neben dem Marktangebot, wie der handgemachten Pasta, auch duftende Zitrusfrüchte, Eingelegtes sowie zahlreiche Gewürzmischungen, die Ingeborg Lorenz selbst röstet und mischt.

10:00 – Führung durch das Festspielhaus

Am Rande des Domplatzes hat Marlies ihr Fahrrad geparkt und verstaut die Einkäufe sorgfältig im Korb. „Es ist ein guter Tag, wenn ich mit dem Fahrrad fahren kann. Theoretisch hätte ich ein Auto, aber mit dem Rad ist es einfach besser. Mein Büro im Festspielhaus ist direkt am Traisental-Radweg gelegen. Der führt wie ein Highway durch die Stadt“, sagt sie.

Wir setzen unseren Weg fort, vorbei am Alumnatshof, einem neu gestalteten öffentlichen Park in der Innenstadt, und überqueren den Mühlbach, um in den Kulturbezirk zu gelangen, einem Teil des Landhausviertels, das die kulturellen Institutionen der Stadt beherbergt.

„Als ich eine Jugendliche war, lebten wir eine Zeit lang in einer Wohnung gegenüber dem Festspielhaus. Ich habe immer vom Balkon auf das beleuchtete Festspielhaus geschaut. Oft sind wir rübergegangen, haben uns Stehplatzkarten gekauft und uns einfach vom Programm überraschen lassen. Das Festspielhaus war für mich immer ein Sehnsuchtsort“, erzählt sie.

„Ursprünglich bin ich ausgebildete Chemielabortechnikerin und habe auch eine Weile in Wien gelebt. Doch nach einem ‚rage quit‘ habe ich nach einer neuen Herausforderung gesucht. Als im Festspielhaus die Stelle einer Portierin ausgeschrieben wurde, habe ich darin die Chance gesehen, an meinem Sehnsuchtsort beruflich neu anzufangen. Nach einem Praktikum und einer Weiterbildung im Museumsmanagement habe ich in der Abteilung Produktion und Kulturvermittlung begonnen. Mit der Gründung einer eigenen Abteilung für Kulturvermittlung hatte ich die Möglichkeit mich weiter zu spezialisieren und kann jetzt viele eigene Ideen verwirklichen. Momentan jongliere ich zwischen zwei Jobs, weil ich auch das Festival Tangente St. Pölten als ein weiteres Herzensprojekt dazubekommen habe.“

Im Foyer warten bereits Besucher:innen auf die Backstage-Führung mit Marlies durchs Festspielhaus. Wir werfen derweil einen Blick in das vielfältige Programm des Festspielhauses St. Pölten: Von Konzerten und Aufführungen klassischer Musik über Ballett und zeitgenössischen Tanz bis hin zu Opern- und Musiktheateraufführungen präsentiert es auch immer wieder Pop-, Jazz- und Crossover-Events.

12:00 Uhr – Mittagspause im Museum Niederösterreich

„Die Mittagspause verbringe ich unglaublich gerne im Museum Niederösterreich. Ich setze mich dann ans Aquarium und beobachte die Fische – das wirkt unglaublich beruhigend auf mich.“ Neben den Dauerausstellungen im „Haus der Geschichte“ und im „Haus der Natur“ kuratiert das Museum Niederösterreich auch regelmäßig Sonderausstellungen.

Meist nutzt Marlies Eder die Mittagszeit jedoch für weitere Netzwerktreffen und verabredet sich beispielsweise im „Supperiör Suppendesign“ mit Projektpartner:innen. „Wir haben nur drei Herdplatten und drei Töpfe und kochen ausschließlich mit Bio-Zutaten“, beschreibt die Geschäftsführerin Kathrin Tanzer das Konzept der kreativen Suppenküche „Supperiör“ in wenigen Worten. Der Name ist ein Wortspiel aus „Suppe“ und „Interieur“, denn auch das Ambiente ist Teil des Konzepts: Jeder Sessel und jeder Tisch ist verkäuflich und wurde von Jugendlichen im Rahmen von Beschäftigungsprojekten auf dem zweiten Arbeitsmarkt liebevoll restauriert.

13:00 – Kreative Arbeit und Outreach

Als Kulturvermittlerin des Festspielhauses organisiert Marlies auch unzählige Community-Formate. Besonders am Herzen liegt ihr der „Wöd Chor Plus“: „Der Wöd Chor ist als gemeinsame Initiative des Festspielhauses St. Pölten und des Büros für Diversität entstanden. Menschen unterschiedlicher Herkunft und Altersgruppen kommen hier zusammen, um gemeinsam zu singen und zu musizieren. Die künstlerische Leitung durch Flora Königsberger und Gerald Huber-Weiderbauer ist echt inspirierend. Es ist bereichernd, mit ihnen zusammenzuarbeiten und zu beobachten, wie man durch Projekte wie dieses Communities stärkt und verknüpft. Solche Projekte machen meine Arbeit besonders cool“, erzählt Marlies.

15:00 – Coffee to Go im Café Emmi

Heute ist nur Zeit für einen schnellen Coffee to Go auf dem Weg ins Büro der Tangente, aber: „Das Café Emmi ist einer meiner Lieblingsorte zum Kaffeetrinken. Der Kaffee aus der Rösterei Kaffeelix zählt für mich zu den besten in ganz Österreich. In seiner Anfangszeit hat Felix Teiretzbacher direkt hier im Café im hinteren Raum geröstet, und man ist regelrecht in eine Kaffeewolke eingetaucht, sobald man das Café betreten hat“, erzählt Marlies. „Zum Kaffee genießt man am besten eines der unglaublich guten Törtchen aus der hauseigenen Patisserie – ein Garant für glückliche Momente“, sagt Marlies.

16:00 Uhr – Tangente St. Pölten

In einem „Flik-Flak“ zwischen ihren Aufgaben im Festspielhaus und dem Büro der Tangente koordiniert Marlies derzeit auch die Stadtprojekte für die Tangente, das Festival der Gegenwartskultur in St. Pölten. „Die Tangente richtet sich im Kern an die Bewohnerinnen und Bewohner von St. Pölten. Unser Ziel ist es, die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen zu erreichen und die Bildung neuer Gemeinschaften sowie Netzwerke zu fördern“, erklärt Marlies. Ein Beispiel für ein solches Stadtprojekt ist die „Stadt-Galerie“, eine temporäre Ausstellung, die Werke lokaler Künstlerinnen und Künstler in Schaufenstern, Vitrinen und leerstehenden Geschäften in der ganzen Stadt präsentiert.

18:00 – Kulturstammtisch im Vinzenz Pauli

Als Kulturvermittlerin ist Marlies nicht nur während des Tages, sondern oft auch nach Feierabend im regen Austausch mit Kreativen und Kulturschaffenden. An diesem Abend haben wir zu „Kultur am Stammtisch“ ins Wirtshaus „Vinzenz Pauli“ von Maurice Harant und Werner Punz eingeladen. Gemeinsam mit Gästen aus der Sankt Pöltner Kunst- und Kulturszene wollen wir erkunden, was St. Pölten auszeichnet, wie Kunst, Kultur und Kulinarik zum guten Leben in der Stadt beitragen und wie Österreichs jüngste Landeshauptstadt den Wandel von einer Industriestadt zu einer dynamischen, weltoffenen Universitätsstadt vollzogen hat. Zudem interessieren uns die Visionen der Gäste für die Zukunft St. Pöltens.

Veranstaltungskalender: