Eine neue Zeit: Die Wiener Moderne

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Eine kurze, aber intensive Kunstepoche hinterließ auch in Niederösterreich ein bedeutendes Kulturerbe.

Um 1900 avancierte Wien zur Kulturmetropole – und Niederösterreich als Umland trug in gleichem Maße dazu bei, wie es davon profitierte. Noch heute findet man hier Spuren von Künstlergrößen wie Egon Schiele, Otto Wagner oder Arthur Schnitzler.

An der Schwelle des 20. Jahrhunderts wehte durch Wien, dem Schmelzkessel der zahlreiche Völker umfassenden Donaumonarchie, der Geist des Aufbruchs und der Avantgarde. Die Stadt erlebte eine Blütezeit in der Malerei, der Architektur, der Musik und der Literatur. Diese Epoche zwischen etwa 1890 und 1910 wird als „Wiener Moderne“ bezeichnet. Zur gleichen Zeit erfuhr auch der künstlerische Austausch zwischen Wien und dem ihn umgebenden Niederösterreich einen neuen Höhepunkt. Einerseits zog es in Niederösterreich geborene Künstler in die pulsierende Weltstadt, um hier zu arbeiten und sich einem großem Publikum zu stellen. Andererseits suchten die in Wien lebende Künstler die Ruhe und die Inspiration des ländlichen Niederösterreichs und hinterließen hier ein Vermächtnis, dem man heute noch nachspüren kann.

Die Maler: Schiele und Kokoschka

Mit Egon Schiele und Oskar Kokoschka stammten zwei der bedeutendsten Maler der Wiener Moderne aus Niederösterreich. Egon Schiele wurde 1890 in Tulln an der Donau als Sohn eines Bahnbeamten geboren – das Schiele Geburtshaus im Bahnhof Tulln bietet heute authentische Einblicke in die Kindheit dieses Ausnahmekünstlers. In Tulln befindet sich außerdem das Egon Schiele Museum, das als einziges Haus weltweit eine Darstellung seines Frühwerks präsentiert. Oskar Kokoschka wurde 1886 in Pöchlarn an der Donau geboren. Sein Geburtshaus, das Oskar Kokoschka-Haus dient seit 1973 als Dokumentationszentrum und Galerie. In den Sommermonaten finden hier jährlich wechselnde Ausstellungen mit Bezug zum Künstler und seinen Schülern statt.

Die Architekten: Wagner und Loos

Otto Wagners wichtigstes Wirkungsfeld war natürlich Wien, aber die überragende Architektenpersönlichkeit Österreichs im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hinterließ auch in Niederösterreich bedeutende Bauwerke. Ein Frühwerk war die Villa Epstein in Baden, dazu gesellen sich die ebenfalls in Baden gelegene Villa Hahn und die Villa Kunewalder in Bad Vöslau. Eines der schönsten Werke von Adolf Loos, einem der radikalsten Wegbereiter der modernen Architektur, steht in Payerbach: Das Looshaus am Kreuzberg ist heute ein Hotel-Restaurant mit landestypischer Küche, einige Gäste-Zimmer sind noch im Original erhalten. 

Die Komponisten: Schönberg und Wolf

Als Wiener Schule der Moderne wird in der Musikgeschichte der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts um Arnold Schönberg herausbildende Komponistenkreis genannt, der maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der neuen Musik ausübte. Der Erfinder der 12-Ton-Musik Arnold Schönberg lebte von 1918 bis 1925 in der Mödlinger Bernhardgasse. Eine Dauerausstellung gibt im dortigen Schönberg-Haus Einblick in Leben und Werk des Meisters, in seine Mödlinger Zeit sowie die Geschichte des Hauses. In Perchtoldsdorf verbrachte der Liederkomponist Hugo Wolf zwischen 1888 und 1897 viel Zeit in der Brunnergasse 26, wo er einen Großteil seiner Werke schuf. In dem authentisch erhaltenen Haus befindet sich heute das Hugo Wolf-Museum.

Die Literaten: Schnitzler, Broch

Arthur Schnitzler gehörte zu den meistgelesenen und -gespielten Autoren der Jahrhundertwende. Seine Werke riefen so manchen Skandal hervor, und fast skandalös war auch seine Beziehung zu Olga Waissnix, der verheirateten Chefin des Hotels Thalhof in Reichenau an der Rax, wo Arthur Schnitzler oft auf Sommerfrische weilte. Allein: Es bliebt bei einer platonischen Beziehung der beiden Turteltauben. Ebenfalls oft im Thalhof zu Gast war etwa Schnitzlers Kollege und Freund Robert Musil. Prosaischer war hingegen die Beziehung, die Hermann Broch mit Niederösterreich verband: Bevor er sich der Schriftstellerei widmete, leitete er von 1916 bis 1927 das von seinem Vater übernommene Textilunternehmen in Teesdorf bei Baden: Das Hermann Broch Museum gedenkt hier mit Erinnerungsstücken dem Dichters.