Eine Biedermeier-Reise

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Die Idylle und Harmonie des Biedermeier hat bis heute wenig von seinem Reiz verloren.

Mit dem Maler Friedrich Gauermann und dem Dichter Ferdinand Raimund haben zwei der bedeutendsten Künstler des Biedermeiers eindrückliche Spuren in Niederösterreich hinterlassen. Wer die Epoche landschaftlich oder architektonisch auf sich wirken lassen möchte, begibt sich ins Piestingtal oder nach Baden bei Wien.

Nach dem Chaos, das die napoleonischen Kriege von 1792 bis 1815 entfachten, sehnte man sich vor allem im deutschsprachigen Raum nach Ruhe und Geborgenheit. Kein Pathos mehr, sondern beschauliche Idylle, keine Politik, sondern trautes Heim. In Niederösterreich führte der Rückzug ins Private zu einem ersten Aufblühen des Tourismus, den man damals noch „Landpartie“ oder „Sommerfrische“ nannte. Die Städter entdeckten die Reize der Natur, vor allem der Wienerwald wurde zum viel besuchten Ausflugsziel. Städte wie Mödling und Baden und später, als die Eisenbahn die Anfahrt verkürzte, auch weiter entfernte wie Gutenstein im Piestingtal, Reichenau an der Rax oder der Semmering entwickelten sich zu beliebten Sommerfrische-Destinationen.

Friedrich Gauermann in Scheuchenstein

Von den Künsten erlebte die Malerei den größten Aufschwung und hier vor allem die Genre- und die Landschaftsmalerei. Zu den bedeutendsten Malern zählte Friedrich Gauermann, dessen Name untrennbar mit dem Ort Scheuchenstein in der Gemeinde Miesenbach verbunden ist. Hier wurde er 1806 geboren, hier liegt er auch begraben. Auf den „Hof am Pichl“ – dem heutigen Gauermannhof – kehrte er jedes Frühjahr aus dem Winterquartier in Wien zurück. Hier begann er mit dem Malen, und hier hängen heute im Gauermann-Museum rund 50 Ölgemälde, die einen schönen Überblick über das Œuvre geben und vom Talent und der Produktivität des Biedermeier-Malers künden. Aber auch andere Maler nutzten die idyllische Voralpenlandschaft als Motiv, Ferdinand Georg Waldmüller zum Beispiel oder Leopold Kupelwieser, der in Piesting geboren wurde.

Ferdinand Raimund in Gutenstein

Auf den Bühnen wurde das Alt-Wiener-Volkstheater enorm populär. Hauptvertreter war – neben Johann Nestroy – Ferdinand Raimund, der sich ab 1825 wiederholt in Niederösterreich aufhielt, und zwar in Gutenstein, Gaaden, Sparbach, Brühl und Pernitz, wo er ein Haus erwarb. DIE Raimund-Gemeinde ist allerdings Gutenstein, wo seit 1993 auch alljährlich die beliebten Raimundspiele Gutenstein stattfinden. Hier findet man beim Flanieren durch den Ort zahlreiche Gedenkstätten des Dichters, seinen Lieblingssitz auf dem Mariahilfberg etwa oder sein Grabmal. Mehr über sein Leben und Werk erfahren Besucher im Raimund-Museum, bei einer Wanderung am Biedermeier Erlebnisweg oder einer beschaulichen Radtour am Piestingtal Radweg .

Der Piestingtal-Radweg

Biedermeierradweg wird der durch das Piestingtal führende Piestingtal-Radweg auch gerne genannt, und wenn Sie die 38 Kilometer von Gutenstein bis Sollenau abfahren, werden Sie nachvollziehen, warum es Biedermeier-Künstler:innen immer wieder in die idyllische Landschaft gezogen hat. Das Tal selbst gleicht einem Kunstwerk: es geht an Holz-Brücken, Pavillons und Bauwerken aus der Biedermeierzeit und der Ruine Starhemberg vorbei durch lichte Aulandschaften. Schattige Waldpassagen und schmale Kiesstrände entlang der wildromantischen Piesting laden zu der einen oder anderen Rast ein. Die Strecke eignet sich gut für gemütliche Radtouren und ist auch familientauglich.

Das Biedermeier in Baden bei Wien

Wohin man in Baden bei Wien auch blickt: Überall sieht man prachtvolle Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Manche Straßenzüge sind noch fast zur Gänze mit klassizistischen Häusern verbaut, sodass man sich in die Biedermeierzeit versetzt glaubt. Das Glück, über ein so geschlossenes Architekturensemble zu verfügen, entsprang eigentlich einem Unglück: 1812 zerstörte ein Stadtbrand den Großteil der Bausubstanz in der Badener Innenstadt. Diese musste wiederaufgebaut werden, und weil in Baden der Adel und die Oberschicht und somit auch das Geld zuhause waren, konnte man sich die besten Architekten der Zeit wie Carl von Moreau oder Josef Kornhäusel leisten. Übrigens gefiel es dem damaligen Kaiser Franz I in Baden so gut, dass er und sein Hofstaat jeden Sommer im Kurort verbrachten. Der Kaiser erwarb nach dem großen Brand das bescheidene Haus am Hauptplatz 17, das heutige Kaiserhaus. Im Kaiserhaus ist heute ein Museum untergebracht, das wechselnde Ausstellungen zu historischen Themen zeigt.