Hohe Kunst!

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Auf dem Gipfel des Seekopfes, über den Baumkronen des Dunkelsteiner Waldes, thront die Vierte Wand. Eine Aussichtswarte, die auch ein künstlerischer Meilenstein ist.

Allein der Aufstieg hat etwas Theatralisches: Eine schmale Stiege, die an der Außenseite der Warte über Baumkronen hinweg, in die Höhe führt. Mit jeder Kehre steigen Spannung und Neugier auf das, was dahinter liegt, bis man über die letzten Stufen an den dramaturgisch wie realen Höhepunkt gelangt: eine Plattform, von der sich der Blick weitet und sich eine Aussicht auftut, die einem nicht weniger als das Wachauer Donautal zu Füßen legt.

So viel steht jedenfalls fest: Der von Designer Klemens Schillinger und Architektin Eldine Heep gestaltete Aussichtsturm am Gipfel des Seekopfes hat weit mehr zu bieten als ein spektakuläres Panorama. Er ist Kunstwerk, Designobjekt und längst kulturelle Sehenswürdigkeit der Wachau.

Frau Heep, was würden Sie sagen: Ist die Vierte Wand nun eher der Kunst, der Architektur oder doch ihrer Funktionalität zuzuschreiben?

Eldine Heep: Das ist eine schwierige Frage, die wir uns schon öfters gestellt haben. Einerseits ist sie Kunstobjekt und sollte auch als solches verstanden werden, zugleich muss sie auch statische Voraussetzungen erfüllen und ist ganz klar der Architektur zuzuordnen – obwohl natürlich nicht im klassischen Sinne, zumal sie nicht bewohnbar ist. Die Intention war jedenfalls, etwas zu schaffen, das mehr als seine Funktion ist, gleichzeitig sollte diese aber auch nicht versteckt werden. Ich glaube, es ist von allem etwas dabei und vielleicht ist es gar nicht so wichtig, eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Die Vierte Wand wirkt zwischen den dichten Baumkronen des Dunkelsteiner Waldes nicht wie ein Fremdkörper. Sie sticht zwar heraus, fügt sich aber gleichzeitig gut in Natur und Landschaft ein. Wie sind Sie bei der Planung vorgegangen?

Das war durchaus eine Herausforderung. Wir wollten, dass die Vierte Wand eine klare Form hat und als Aussichtswarte lesbar bleibt, aber auch, dass sie die Besonderheit der umliegenden Natur, ja der gesamten Region hervorhebt. Dabei spielte auch das Material eine Rolle. Für die Verkleidung aus reliefartig angeordneten, vertikal durchgängigen Latten haben wir unbehandeltes Lärchenholz verwendet. Damit fügt es sich nicht nur in die Landschaft ein, sondern unterliegt auch einem natürlichen Alterungsprozess – wie die umliegenden Bäume. Mit der Anordnung der Bretter entstand auch eine Durchlässigkeit, die es dem Objekt erlaubt, mit seiner Umgebung zu verschmelzen.

Die Bezeichnung Vierte Wand ist aus dem Theaterjargon entlehnt. Konkret ist damit die imaginäre Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum gemeint. Wie seid ihr darauf gekommen?

Die Idee kam uns, als wir im Zuge der Ausschreibung auf den Seekopf wanderten. Der Weg führt recht steil durch den dichten Dunkelsteiner Wald am Südufer der Wachau. Nach einer Stunde erreichten wir schließlich den Gipfel und eine Lichtung, die idyllisch, ja fast kulissenhaft wirkte. Beim Entwurf haben wir diese Idee dann weitergedacht und die Wand der Warte als Spannungselement für den Aufstieg eingesetzt. Die „vierte“, ins Tal gerichtete Seite haben wir dann mit Holzlatten verkleidet, sodass sich den Besucher:innen der spektakuläre Ausblick erst ganz oben auf der 15 Meter hohen Plattform eröffnet.

Habt ihr euch dabei auch von der Wachau inspirieren lassen?

Ja, auf jeden Fall. Die Plattformen erinnern in ihrer Form an die Weinterrassen, die ja prägendes Landschaftsbild in der Wachau sind. Wir haben auch viel über die Ausrichtung nachgedacht und darüber, wo der Ausblick zuerst hingeht. Dieser fiel schließlich auf das Donautal, das ja von dieser Höhe wahnsinnig spektakulär wirkt.

Im Zuge der Errichtung habt ihr viel Zeit in der Region verbracht, welche Eindrücke habt ihr mitgenommen?

Zunächst ist die Umgebung beeindruckend. Die mächtige Donau und die Weinlandschaft natürlich, aber auch der Seekopf im Besonderen: Ich habe die Warte nun schon zu jeder Jahreszeit besucht und immer veränderte sich die umliegende Natur. Mal sind die Blätter bunt und der Weg vernebelt, dann erstrahlt alles wieder in sattem Grün. Und dann ist da noch diese besondere Lebensart der Region, die Heurigen- und Weinkultur, dieses unbeschwerte Miteinander. Ganz besonders haben wir die positive Reaktion der ansässigen Bevölkerung in Erinnerung. Die Leute freuten sich darüber, dass anstelle der alten, maroden Warte eine neue kam.

Die vierte Wand wurde also gut aufgenommen?

Ja, ganz bestimmt. Bereits in der Entstehungsphase spürten wir den Rückhalt der Gemeinde. Die Eröffnung war dann besonders schön. Der Pfarrer, der Kindergarten und die Feuerwehr von Rossatz waren da. Die Trachtenkapelle hat musiziert und man hat einfach gemerkt: Die Leute identifizieren sich schon jetzt mit der Aussichtswarte. Wenn ich heute auf den Seekopf wandere, beobachte ich auch die anderen Urlauber:innen, die dort unterwegs sind. Die Menschen begehen den Turm nicht nur einfach, sie betrachten ihn, fotografieren ihn und setzten sich damit auseinander. Genau das wollten wir erreichen.

Seekopf Aussichtswarte

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